■ Erneut Bedenkliches
: Ganzkörperkrank

Wie wir erfahren, nutzen die PolitikerInnen der großen Parteien das sogenannte Sommerloch (in dem gerade gestern wieder rund 250 Soldaten verschwunden sind) für Erwägungen vorausschauender Art. Daß es mit dem Bruttosozialprodukt einfach nicht aufwärts gehen will (haben die UN eigentlich genügend Waffen für Ostafrika? Deutsche Ware guuut!), daß die Arbeitslosen partout von selber nicht verschwinden wollen (gibt es eigentlich genügend Dämme, Kanäle und dergleichen in Ostafrika? Deutsche Arbeit zuverlässig!), daß die Wirtschaftslage trotz aller Umschuldungsphantasien miserabel bleibt (vergibt die BRD eigentlich genügend Kredite an das notleidende Ostafrika? Deutsches Geld ganz guuut für viele Zinsen!), ist ja schon länger bekannt und läßt der Politik wenig Handlungsraum (Wir empfehlen: Ostafrika!!). Daß außerdem diejenigen, die überhaupt noch Arbeit haben, dieselbe oft gar nicht zu schätzen wissen, erschwert die Lage zusätzlich: Wenn die Kalikumpel in Bischofferode wüßten, wie fahrlässig vor allem Westkollegen mit ihren Arbeitsmöglichkeiten umgehen, sie würden nicht gegen die Regierung demonstrieren, sondern die Arbeiterfaust rekken, wohin sie gehört, in das Gesicht des Arbeitnehmers.

Der nämlich läßt sich noch immer ganzkörpermäßig krankschreiben, wo eine Teilkrankschreibung genügen würde. Die PolikerInnen Limbach (CDU), Thomae (FDP) und Neumann (SPD) sind sich einig, daß dies eigentlich ein Skandal ist und somit abgeschafft gehört. Denn: Neumann findet, wenn etwa der linke Daumen eines Rechtshänders brach, „ist der Mann noch einsatzfähig“. Limbach sagt: Wer die linke Hand gebrochen hat, kann zum Beispiel mit rechts ein Telefon bedienen. Thomae geht von dem Finger über die ganze Hand gleich groß in die Prothese und sagt, er könne sich gar eine „Teilkrankschreibung“ gut vorstellen.

Das war an der Zeit. Denn Beweise, daß man auch teilkörpergesund arbeiten kann, gibt es ja gerade in der Politik genug. Helmut Kohl denkt mit der Milz und ist ein erfolgreicher Bundeskanzler. Volker Rühe kommt mit dem Rückrat allein als Verteidigungsminister ganz gut über den Frieden. Waigels bestfunktionierende Körperteile sind die Augenbrauen. Klaus Kinkel schließlich denkt mit dem Herzen („die anderen da unten nicht allein lassen“) und ist noch immer Außenminister. – Und Sie, Diether Thomae, Editha Limbach und Bernd Neumann, Sie kommen doch alle drei mit nur einer Hirnhälfte ganz gut zurecht. Und Sie haben doch längst bewiesen, daß man als Abgeordnete auf den hinteren Bänken vor allem zwei Arschbacken braucht: Irgendwann kommt die Zeit, da sind fast alle anderen in Urlaub, und dann schlägt die große Stunde der Hirnkrankgeschriebenen.

Wir hier bei der taz lassen schon lange den Magen zu Hause (krankgeschrieben von einem Hausarzt unseres Vertrauens), wenn wir zur Arbeit kommen. Wissen Sie, was wir sonst täglich täten? Eben. ES