2 Jahre Duales Chaos

■ Trotz Töpfers Lob, weiß niemand, wohin mit dem Plastik / Kartellamt überprüft Konzept zur Kunststoffverwertung

Berlin/Bonn (taz/AP) – Während das Duale System Deutschland (DSD) derzeit den gesammelten Plastikmüll nicht mehr verwerten kann, behauptet Umweltminister Klaus Töpfer frohgemut, daß das von ihm in die Welt gesetzte System ein voller Erfolg sei. 1992 sei erstmals die Menge verbrauchter Verpackungen zurückgegangen: um 3,1 Prozent, das entspreche einer halben Million Tonnen.

Töpfer freute sich, daß zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verpackungsverordnung gerade bei Kunststoffverpackungen die Vorgaben seiner Verordnung bereits übertroffen werden. Statt der vorgesehenen 100.000 Tonnen Plastikmüll werden in diesem Jahr voraussichtlich 160.000 Tonnen recycelt. Kleines Problem am Rande: Fleißige BürgerInnen sammelten insgesamt 400.000 Tonnen Kunststoffverpackungen mit dem Grünen Punkt. Das hinderte den Bundesumweltminister aber nicht daran, die BürgerInnen dazu aufzufordern, das Angebot zur Getrenntsammlung der Wertstoffe weiter fleißig zu nutzen. Das Duale System dürfe nicht in Frage gestellt werden, da dies die Investitionen der Wirtschaft in Recyclinganlagen blockieren würde.

Anscheinend interessiert sich aber die DSD-GmbH für die zumeist mittelständigen Kunststoffrecycling-Firmen nicht besonders. Sie setzt vielmehr auf Großabnehmer, vor allem RWE und VEBA, die den Plastikmüll rohstofflich verwerten wollen, das heißt wieder zu Öl verarbeiten, oder als Baustoffe einsetzen. Damit werden die Kunststoffverpackungen zum Beispiel auf den Straßen in Form von Asphaltgemisch endgelagert.

Gegen die neue Kunststoffverwertungsgesellschaft, die das Duale System aus der Taufe heben will, nachdem die alte Gesellschaft pleite gegangen ist, hat das Kartellamt nun Einwände. Denn einer der Hauptgesellschafter der neuen Firma soll RWE sein – zufällig auch der künftige Hauptabnehmer der Kunststoffabfälle.

Derzeit weiß das DSD jedenfalls nicht, wohin mit dem ganzen ordentlich gesammelten Plastikmüll. Über die gesamte Republik verteilt sind neben den Müllsortierungsanlagen inzwischen riesige ungenehmigte Zwischenlager für Plastikmüll entstanden, gegen die einige Bundesländer rechtliche Schritte eingeleitet haben.

Bereits jetzt muß das DSD zum Kunststoffrecycling weitgehend ins Ausland ausweichen. Inwiefern die Firmen, die das DSD als TÜV- geprüfte Verwerter angegeben hat, den Müll mit dem Grünen Punkt abnehmen und verwerten, ist strittig. Von 55 inländischen Verwertern, die das DSD aufgelistet hat, sind zumindest elf nicht in der Lage oder bereit, Verpackungen vom DSD anzunehmen.

Das DSD versucht sich inzwischen auf ganz eigene Weise zu helfen. Seit erstem Juli sortiert die Firma nur noch Folien und Plastikflaschen aus, die zumeist aus leicht verwertbarem Polyethylen und Polypropylen sind. Das DSD informierte die Kommunen darüber und auch über die Einstellung von Zahlungen an die Gemeinden für Container und für Abfallberatung schlicht per Einschreiben. Die Kommunen bezichtigen das DSD daher des Vertragsbruchs und berufen sich dabei auf Verträge, in denen das DSD die Abnahme und Verwertung des Mülls mit dem Grünen Punkt garantiert. Die Sortierreste werden den Kommunen aufgehalst, also in die Deponien und Müllverbrennungsanlagen geliefert. Gestern forderten die Umweltdezernenten mehrerer Städte und der BUND den Ausbau von Mehrwegsystemen. Der Grüne Punkt dürfe nur noch auf Verpackungen aufgedruckt werden, die auch tatsächlich wiederverwertet werden. Morgen finden erneute Verhandlungen statt, in denen Umweltminister Töpfer als Vermittler auftritt.

Zunächst steht das Duale System vor dem Problem, die zwischengelagerten Kunststoffe zu verwerten. Die angeblich technisch perfekt recycelbaren Mischkunststoffe soll offenbar die Gladbecker Firma UTR übernehmen, die das Problem unter die Erde verlagern will: Das Plastikgranulat soll im Untertagebau eingesetzt werden. Nicola Liebert