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Erschütternder Comic-Verbrauch

■ Bremer "Panel" ist eine Nachwuchsbühne für Zeichner / Ziel: deutsche Comic-Kultur

Erschütternder Comic-Verbrauch

Bremer „Panel“ ist eine Nachwuchsbühne für Zeichner / Ziel: deutsche Comic-Kultur

Stefan Ernsting war zunächst von der Idee, sich mit den übrigen Leuten vom Panel in seiner Wohnung zu treffen, wenig angetan. „Letztes Mal hat keiner nach dem Chaos aufgeräumt. Und den betrunkenen Maura haben sie auch noch hiergelassen.“ Doch mangels Alternativen sitzt jener Maura, Zeichner aus Verden, mit den anderen wieder in Stefans engem Zimmer. Bestenfalls semiprofessionell geht es beim größten Bremer Comic Magazin zu.

Die anderen, das sind der schlacksige Peter Körtje, Künstlername Peka, und Schülerzeitungsveteran Bert Dahlmann, mit 28 Jahren Senior der Runde. Beide waren von Anfang an dabei, als sich aus der comiclastigen Schülerzeitung L–Escamoteur das „Bremer Comic Magazin“ Panel entwickelte. Am 1.8.1989 erblickte die erste Nummer das Druckerschwarz der Welt, 28 Seiten in 500er Auflage.

Seitdem hat sich bei den Bremern einiges getan: Die Cover sind farbig geworden, die Auflage der just erschienen Nummer 11 auf 1.200 geklettert, 1.500 sind für das nächste Heft geplant. Mittlerweile werden 60 Seiten gefüllt, vornehmlich mit Comics. Denn: Das Panel, benannt nach dem Fachbegriff für ein einzelnes Bild in einem Comic Strip, war und ist ein Primärmagazin, dem daran gelegen ist, ein Forum für deutsche Zeichner zu bieten. Fernziel: Der Aufbau einer deutschen Comic-Kultur.

„In Deutschland sind fast nur ausländische Zeichner erfolgreich,“ beklagt Ernsting. In den USA, im Franco-Belgischen,in England oder Japan, dem größten Comicmarkt der Welt, sei Nachwuchsförderung die Regel. Comic-Deutschland sei dagegen ein Entwicklungsland mit einem erschütternd geringen Comicverbrauch pro Nase. Von systematischer Nachwuchs-Förderung wie Zeichnerschulen etc. kann man hier nur träumen. Bert Dahlmann: „Also machen wir im Grunde Nachwuchsförderung, auch wenn das nach Dreizehnjährigen klingt.“

Weniger Raum wird Comic- Rezensionen und Berichten über Comics gelassen, Leserbriefe fehlen völlig. Die Redaktion, darunter aktive Zeichner, beschränkt sich auf Layout, Vertrieb und Finanzierung. Homogen ist die siebenköpfige Redaktion dabei wahrlich nicht: Die Bandbreite geht vom Hippie über den Horrorfan bis zum Designer. Redaktionstreffen, die in einem kollektiven Rausch enden, sind eher die Regel als die Ausnahme.

Inhalte selbst wollen die Redaktionsmitglieder nicht vermitteln. „Die müssen von den Zeichnern kommen,“ erklärt Dahlmann. Und wenn sie denn mal ganz fehlen: Bei Comics kommt es auf das Grafische an. Körtje: „In den Siebziger Jahren gab es lauter selbstgemachte Heftchen, die trotz toller Inhalte keiner gekauft hat, weil das Niveau unter aller Sau war.“ Daraus habe man gelernt. „Das Heft muß einen gewissen grafischen Standard haben, damit es auch Leute kaufen, die nicht in der Comic-Szene stecken.“

Wählerische Auswahl

Mittlerweile ist man beim Panel soweit, daß man sich aussuchen kann, was von den aus ganz Deutschland eingesandten Strips ins Heft kommt. „Am Anfang war es so, daß wir froh waren, ein Heft voll zu kriegen,“ sagt Dahlmann. Mittlerweile ist Panel als Forum für neue deutsche Comiczeichner etabliert. Bei Comicsalons ist der Panelstand von schüchternen Leuten mit Plastiktüten und Mappen umlagert, die ihr Material anbieten. Vieles bringt auch der Briefträger: „Die Flut von Einsendungen zeigt, wieviel Bedarf für sowas ist,“ sagt Körtje.

Die zunehmende Professionalisierung des Blattes brachte einges an Problemen mit sich. Etwa, daß Zeichner der Anfangstage den gewachsenen Ansprüchen nicht mehr genügten. Material von persönlichen Bekannten mußte aus Qualitätsgründen abgelehnt werden. Und die Finanzen, ohnehin bei Heften in der Grauzone zwischen obskurem Fanzine und professioneller Publikation eine spitze Angelegenheit, mußten in Ordnung gebracht werden. Dahlmann: „Das ist halt auch vom Geld her ein ganz anderer Level als eine Schülerzeitung.“

Dafür soll der gerade gegründete Verein „Panel e.V.“ sorgen. Gründungsmitglieder: die sieben schrägen Vögel von der Red. Mittlerweile ist die Comic-Zeitung sogar als förderungswürdig anerkannt. „Neben der für uns günstigsten Organisationsform eröffnet das ganz neue Perspektiven. Du kannst an mögliche Sponsoren ganz anders rangehen. Was vorher Grauzone war, ist jetzt legitimiert“, erklärt Dahlmann.

So steht denn der weiteren Expansion des Bremer Comic-Exports nichts mehr im Wege. Körtje: „Ich denke, daß viele Leute gerne mal einen Comic lesen. Die Alben der Großverlage sind aber einfach zu teuer, das geht ab 15 DM los. Und selbst die beiden professionellen deutschen Comic-Magazine (U-Comix und Heavy Metal) kosten jeweils acht Mark..“ Zu teuer, um mal was auszuprobieren. Das Panel ist, wegen einiger Anzeigen im Innenteil, bereits für 4 DM zu haben. Und in Dahlmanns Augen flackern kurz die Dollarzeichen auf: „Von den 1.200 Heften verkaufen wir etwa 70 Prozent in Bremen und umzu. Wenn ich dann daran denke, wieviele Großstädte es gibt, dann könnten wir ja ... ziemlich viele Hefte verkaufen. Da bin ich nach oben für alles offen.“ Lars Reppesgaard

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