: Umdrehen statt umlegen
■ Robert Weißmantel vom „Bremer Computer Club“ über clevere Spiele, stupide Gewalt und den Computer als Unterhaltungsmaschine
Das Schöne am Computer ist, daß er einem lauter Schwierigkeiten macht, die man mit seiner Hilfe wieder lösen kann. Seit sechs Jahren leistet der „Bremer Computer Club“ hier Hilfe zur Selbsthilfe; die hundert Mitglieder finden sich zu lockeren Treffs und zielbewußten Programmiergruppen zusammen, etwa für die Sprachen „Visual Basic“ oder gar „C++“, man bastelt eigene Spiele und kümmert sich um pfiffige Kids und führt hilflose Einsteiger heraus aus unverschuldeter Unmündigkeit. Was sich so lehrreich anhört, ist aber im Grunde eher die technisch fortgeschrittenste Variante der Bubenhaftigkeit. Die taz sprach mit Robert Weißmantel, dem Vorsitzenden des Clubs.
Wieso soll man den Computer nicht einfach zur Unterhaltung benutzen?
Robert Weißmantel: Aber wir tun doch auch nichts anderes, wenn wir herumtüfteln, bis auch noch das letzte Byte an Speicherplatz herausgeholt ist, wenn wir lang und heftig debattieren, wie man den Rechner zur optimalen Leistung bringt. Einerseits befähigen wir so natürlich die Leute, mit diesen Universalmaschinen umzugehen, sie für eigene Zwecke überhaupt erst mal einzurichten, und wir können dazu anregen, daß die unzähligen Probleme dabei gemeinsam gelöst werden — aber andererseits ist das schon vor allem ein großes Spiel. Oder nehmen wir den Skatspieler, der mit Skatprogrammen trainiert, oder den Nachbarn, der selbstgedruckte Einladungen verschickt, oder die Leute, die selber Spiele machen und rumprobieren, ob dies und jenes funktioniert: auch das alles ist ein Spiel.
Aber doch eher für ältere Jungens.
Nun ja, die Spiele im engeren Sinn, wie sie auf dem Markt angeboten und von den Kids mit Vorliebe gespielt werden, die probieren Erwachsene schon auch mal gerne durch, aber im Grunde sind die alle zu wenig variabel, zu eng angelegt; man sieht immer dahinter den Programmierer und was der sich dabei gedacht hat. Aber insgesamt wird das Spielerische im Umgang mit dem Computer zunehmen, und zwar in dem Maß, in dem der PC zur Multimedia-Maschine für Texte, Bilder und Klänge wird. Das hängt mit der enormen Speicherkapazität der CD zusammen, die dem Rechner mittels CD-ROM-Laufwerken zur Verfügung steht. Bei uns ist zum Beispiel der Austausch von Bildern schon sehr verbreitet.
Damit werden doch nur die alten Medien nachgebildet. Zum Austauschen reichen auch Papierbilder.
Schon, aber stellen Sie sich vor, die letzten drei Jahrgänge der taz lägen komplett in elektronischer Form vor, und Interessenten könnten sich jederzeit etwa alle Artikel über die Bremer Computerszene raussuchen lassen mitsamt den Bildern und den Originalaufzeichungen der Interviews...
Erschrecken die Leute nicht eher, wenn sie von Informationen vollends umzingelt werden?
Ich denke eher, daß der Computer ein Mittel sein kann, Informationen zu reduzieren: Ich kriege ja nur rausgesucht, was ich will und was ich brauche. Der Rest bleibt mir erspart.
Weit stärker als das Bedürfnis nach Information wird sich wohl das nach Unterhaltung auswirken.
Wobei ich aber schon auch glaube, daß die multimedialen Möglichkeiten, sobald sie einmal entwickelt sind, den Nutzwert in der Freizeit erhöhen werden. Man muß dazu die Informationen in den Programmen unterhaltsam und interaktiv präsentieren. Nur was im Moment angeboten wird, ist meist noch Schrott, irgendwelche billigen Bilder ohne Copyright und, besonders ärgerlich, jede Menge Pornos. Meist sind das Softpornos aus Amerika, zusammengesammelt aus irgendwelchen Zeitschriften.
Warum ziehen sich die Leute denn Pornos auf CD-ROM rein, wenn's bloß Sachen gibt, die sie genauso als Pin-up oder Video haben könnten?
Weil sie für die Universalmaschine, die die schon mal haben, Material suchen. Und wer dieses Material anbietet, der gestaltet die Wirklichkeit. Genauso ist es bei den Spielen. Leider sind's grad nicht unsre tollen Pädagogen mit all ihren Konzepten, die die Spiele schreiben.
Würden Sie denn unterscheiden zwischen guter und schlechter Unterhaltung?
Das hängt von den Bedingungen ab. Ein einzelner Mord im Fernsehen trägt nicht zur Verrohung der Sitten bei; auch ein einzelner Ninja-Kämpfer in einem Computerspiel nicht. Wichtig sind die sozialen Umstände des Spielens. Die Kinder tun es massenhaft, egal was wir davon halten. Verbieten ist Quatsch, sie kommen ran, so wie wir früher an die Mickymaushefte rangekommen sind, und sie spielen alles. An uns liegt es, wie sie es tun, ob allein oder im Austausch mit uns, ob wir mit ihnen besprechen, was da geschieht mit den Männchen, ob wir uns drum kümmern, daß ihnen auch ganz andere Spiele zugänglich werden. Mich entsetzt nicht, daß es Ballerspiele gibt, mich entsetzt aber, daß niemand für Spiele sorgt, in denen mal ganz andere Modelle der Konfliktbewältigung durchgespielt werden könnten.
Wer soll das machen?
Nicht gerade der Kriegsspielprogrammierer; oft sind das ja auch ganz junge Menschen, die da von
„Eine neue Spielekultur gibt's erst, wenn man öffentlich drüber redet“Foto: Tristan Vankann
den Software-Konzernen verheizt werden. Die haben selber noch gar keine Ahnung, wie vielfältig man mit Konflikten umgehen kann. Aber gerade von den Kritikern der Ballerspiele müßte ich sowas erwarten dürfen. Womöglich tun die schon was, aber sie tun es nicht in der Sprache, die den Jugendlichen gemäß ist. Diese Sprache wäre die Sprache des Bildschirms, der Tastatur, des Joysticks und des Sounds.
Wäre das gute Spiel nicht so was Fades wie seinerzeit das gute Buch?
Denken wir doch statt ans gute Buch einfach an Asterix. Es wären clevere Rollenspiele machbar mit irren Sounds und viel Action, wo man zum Beispiel einen Reporter spielen kann, der sich durchtricksen muß oder einen Politiker, der sich Posten ergattert, wo man Gegner, statt sie umzulegen, einfach auch mal umdrehen und für sich gewinnen kann, wo man Bündnisse
hierhin bitte
den kahlköpfigen
jungen Mann mit
Brille
schließt und womöglich sogar zusammenarbeitet. Was gegenwärtig über die Spiele hauptsächlich verbreitet wird, ist das Modell des Einzelkämpfers, der nur gewinnt, indem er seine Gegner vernichtet. Sonst ist er selber dran. Im wirklichen Leben führt das dazu, daß man sehr schnell aufgibt, wenn sich ein Problem nicht gleich ausräumen läßt. Daß man aber mit einem Gegner, der größer ist und mehr Waffen hat, vielleicht listig verhandeln könnte, daß es zwischen Abknallen und Untergang viele intelligente Zwischenwege gäbe, das alles läßt sich in den meisten Spielen nicht erproben. Da müßten andere her.
Sind Sie sicher, daß die Kids im Zweifelsfall nicht doch lieber das Ballerspiel wählen?
Nein, das hängt schon von den Anbietern ab. Diese Ballerspiele sind halt einfach zu machen, und sie entsprechen auf eine platte Weise den gängigen Weltbil
dern. Das heißt nicht, daß sich die Kids nicht auch für anderes interessieren ließen. So eine andere Spielekultur entwickelt sich aber erst, wenn man öffentlich drüber redet. Leider aber wird dieses Medium Computer, vom dem schon der ganze Alltag durchdrungen ist, überhaupt nicht so wahrgenommen, wie es dem Ernst der Lage entspricht. In der Schule erst recht nicht.
Das klingt nach Alarm.
Naja, manche Spiele sind schlecht genug. Da wäre es schon mal sehr nützlich, wenn die Presse sich die Neuerscheinungen zur Rezension vorknöpfte. Bis jetzt geschieht das ja nur im Dunstkreis dieser Spezialzeitschriften, die sich's nur bedingt leisten können, von den Interessen der Spielehersteller mal abzusehen. Nur wenn die ganz normale Presse das kritisch begleitet, steigt die Qualität. Fragen: Manfred Dworschak
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