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■ „Wise Blood“ von John Huston im Arsenal

„...es war, als ob der Himmel ein vom Donner zersprengter Spiegel wäre, denn der Regen fiel zwischen ihnen nieder wie ein Vorhang aus zersplittertem Gras.“ Diese Schlußsentenz von Truman Capotes 1947 geschriebener Story „Ohne Ziel“, eine der typischen Capoteschen Einsamkeits-Elegien, wäre kein schlechtes Leitmotiv für John Hustons Südstaaten-Satire „Wise Blood“. Denn dieser Film ist von genau jener Kälte, die Capote so trefflich beschrieb.

„Wise Blood“ ist ein grimmiger Film toter Orte, toter Gesichter, toter Seelen – wie einige der besten Filme Hustons eine Literaturadaption. 1952 legte Flannery O'Connor den Roman vor, dessen ein Vierteljahrhundert später entstandene Verfilmung zu den wenigen Beispielen gehört, wo eine Leinwandversion die Vorlage an Kraft übertrifft. Die Zeit kam Huston entgegen: Kehrt Hazel Motes, der Held wider Willen, bei O'Connor aus dem Zweiten Weltkrieg heim, ist also a priori eine positive Figur, so weckt ein entlassener Soldat im Jahr 1979 andere Assoziationen: Vietnam, Elend, das schmutzige Amerika.

Und genau darum geht es: das schmutzige Amerika. Mit einer Kamera, die in ständiger Unruhe um die Protagonisten kreist, fängt der Film den Alltag eines im Abstieg begriffenen Südstaatenkaffs ein: triste Straßenzüge, zerfallende Häuserzeilen, Grau in Grau. Hierher verschlägt es Motes (Brad Dourif), mit seinem stechenden Blick und den ewig krampfhaft zusammengebissenen Zähnen ganz Typ fanatischer Heilslehrer. Was genau er nicht sein will, quält ihn in der Erinnerung doch laufend das Bild des Großvaters (Huston selbst), der ihn als Halbwüchsigen für obskure Heiligsprechungen mißbrauchte. Opa liegt inzwischen unter der Erde, nichts blieb von ihm als die Grabinschrift „Gone to become an angel“. Was Motes wie eine letzte höhnische Botschaft erscheint. Ernüchtert von der Realität will er gegen die um ihn herrschende religiöse Bigotterie angehen – und beginnt als Wanderprediger zu arbeiten. Motes ist einer der widerborstigen Art: Er predigt die „Kirche ohne Jesus“. Natürlich versteht ihn keiner. Und ebenso natürlich ist ein Entrinnen aus den gegebenen gesellschaftlichen Konventionen nicht möglich. Der „Erwecker“ endet jämmerlich...

Hustons Film ist eine konsequente Abrechnung mit den verlogenen Idealen des amerikanischen Traums. Nach Vietnam und Watergate gibt es keine Träume mehr, allenfalls Alpträume. Gott ist längst nichts anderes als ein gewinnversprechender Handelsartikel.

Ein Thema, das nach wie vor aktuell ist. Jüngst erst brachte Steve Martin als „Der Schein-Heilige“ die Botschaft von der Käuflichkeit allen Glaubens unter die Kino-Gemeinde. Während Martin am Ende ein Wunder erlebt, bleibt „Wise Blood“ konsequent: Es gibt nur noch zerbrochene Illusionen. Wer sich ihnen hingibt, landet unweigerlich in einem Scherbenhaufen. Peter Claus

„Wise Blood“ von John Huston, 20 Uhr im Arsenal