Bosnien-Verhandlungen gefährdet

■ UNO: Karadžić-Serben erhalten Befehle aus Belgrad

Aus den für das Wochenende geplanten Genfer Verhandlungen über einen Frieden in Bosnien- Herzegowina wird mögicherweise nichts werden. Dabei hatten Lord David Owen und Thorvald Stoltenberg noch am Donnerstag Nachmittag die Verschiebung von Freitag auf Sonntag bekanntgegeben und erklärt, alle drei Seiten hätten „dem neuen Datum zugestimmt“.

Das ist falsch. In einem Schreiben des bosnischen Staatspräsidiums an das internationele Vermittlerduo aus Europäischer Gemeinschaft und Vereinten Nationen von Donnerstag mittag, das der taz vorliegt, erklärt das zehnköpfige Staatspräsidium Bosniens unter dem muslimischen Präsidenten Alija Izetbegović lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft, nach Genf zu kommen – ohne genaue Terminangabe.

Als Bedingungen der Bosnier für die Teilnahme wird die Einstellung der serbischen Offensive gegen Sarajevo und den strategisch wichtigen Berg Igman sowie die Aufhebung sämtlicher Blockaden gegen die für die muslimische Bevölkerung bestimmten Hilfskonvois gefordert. Mit der Ankündigung eines festen Termins wollen Owen und Stoltenberg offensichtlich den Druck auf das Präsidium, das mächtigste Gremium in der ex- jugoslawischen Republik, weiter verstärken. Schon für den ursprünglich verkündeten Termin Freitag gab es – entgegen einer Erklärung der beiden Vermittler vom Mittwoch – keine konkrete bosnische Zusage.

Trotz der in der Nacht zum Freitag vom UNO-Sicherheitsrat verabschiedeten Forderung nach einem „sofortigen Ende der serbischen Offensive“ ging diese derweil gestern unvermindert weiter. Beim Beschuß Sarajevos wurde das Umspannwerk Velešići zerstört, womit die Wiederherstellung der Stromversorgung in der bosnischen Haupststadt in noch weitere Ferne gerückt ist. Im Norden und Osten des seit über 16 Monten umkämpften Landes haben die Serben nach eigenen Angaben die „Moslemhochburgen“ Fažanerija und Kalinovik eingenommen.

Nach Informationen der militärischen UN-Berater, Wilson und Graham, erhält der Oberkommandierende der bosnisch-serbischen Truppen, der ehemlige General der „Jugoslawischen Volksarmee“ (JNA) Ratko Mladić, seine Befehle inzwischen nicht mehr vom bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić, sondern direkt von der Regierung Milošević in Belgrad. Nach Angaben der beiden Militärberater kämpfen auf Seiten der bosnischen Serben inzwischen auch reguläre, aus Serbien entsandte Einheiten. Die Zahl regulärer Soldaten Kroatiens, die auf Seiten der bosnisch-kroatischen Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ HVO kämpfen, bezifferten Wilson und Graham mit rund 2.000. Das Verteidigungsministerium in Zagreb hatte entsprechende Berichte am Donnerstag noch als „falsch“ und Teil eines „Medienkrieges gegen Kroatien“ zurückgewiesen.

Ein für die muslimische Bevölkerung Zentralbosniens bestimmter Hilfskonvoi aus 150 Lastwagen wurde gestern von kroatischen Milizen weiterhin aufgehalten. Mit Zustimmung der bosnisch-serbischen Militärbehörden wollten serbische Frauen im ostbosnischen Medvedja ab gestern die einzige Zufahrtstraße und damit alle künftigen Hilfstransporte in die muslimische Enklave Goražde stoppen. Über eine entsprechende Ankündigung berichtete das UNO- Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR).

Der ehemalige polnische Ministerpräsident Mazowiecki wollte gestern nachmittag in Genf mit UNO-Vermittler Stoltenberg zusammentreffen. Zuvor gab er in einem Gespräch mit Journalisten seiner tiefen Resignation über das Verhalten der internationalen Staatengemeinschaft gegenüber der bosnischen Katastrope Ausdruck. In seiner Aufgabe als Sonderberichterstatter über die humanitäre Lage im Kriegsgebiet erfahre er kaum mehr Unterstützung. Die sich abzeichnende Sanktionierung einer Dreiteilung Bosnien-Herzegowinas auf Kosten der Muslime durch die UNO komme einem „zweiten München“ gleich. Mazowiecki erklärte, er erwäge den Rücktritt von seinem Amt als Sonderberichterstatter und werde einen entsprechenden Beschluß möglicherweise bald bekanntgeben. Andreas Zumach, Genf