Einmal wieder Amateur sein

■ In souveräner Manier sichert sich der Hamburger Mountainbike-Profi Bernd Lehmann den ersten Platz beim Straßen-Rundstreckenrennen des Harvestehuder RV Von Kai Rehländer

Routiniert beantwortet der Mann im gelben Trikot die Fragen des Streckenkommentators. Nahezu sauber erscheint sein Äußeres im Vergleich zu dem seiner Mitkonkurrenten. Kein Spritzwasser von der Straße scheint seine im Gelb des Harvestehuder Radsportvereins gehaltene Bekleidung benetzt zu haben. Auch seine Waden erscheinen weniger verkrampft als die der anderen Fahrer beim 12. Rundstreckenrennens für Radamateure des HRVs am Sonnabend nachmittag in Hamburg Lokstedt.

Bernd Lehmann unterscheidet sich auch in anderer Hinsicht von den sonstigen Teilnehmern dieses Rennens. Er geht seiner Profession im Fahradsattel nach – fern von irgendwelchen Amateurismen im Mountainbike-Team eines Hamburger Fahrradhändlers. Tagaus, tagein begibt er sich auf eine Straßenmaschine um Kondition für's Gelände zu bolzen. Nur jeden zehnten Tag darf er umsteigen, um auf Norderstedter Müllbergen oder auf den Erhebungen südlich von Hamburg, die unter dem Namen Harburger Berge firmieren, sein eigentliches Sportgerät zu bewegen. Alles andere als ein Sieg bei diesem Rennen, wäre aufgrund der Bedingungen, eine Niederlage für Lehmann.

In souveräner Manier gelingt es ihm gleich zu Beginn des Rennens einen Vorsprung in der Punktewertung herauszufahren. „Alle fünf Runden“, gibt der Streckenkommentator via Lautsprecherwagen den Passanten und der Entourage der Fahrer bekannt, „gibt es eine Wertungsrunde.“ Die vier Fahrer, die in jeder fünften Runde zuerst die Zielgerade in der Stresemannallee passierten, kamen also in die Punkte und konnten sich so den Gesamtsieg sichern. Egal also, wer nach der Gesamtstrecke von 50 Runden a 1.5 Kilometer seinen Drahtesel vorne hat.

An den Sonderwertungen, in denen es – in Game-Show-Manier verkündet – Preise aus dem reichhaltigen Sortiment eines Hamburger Fahrradhändlers gab, beteiligte sich Lehmann nicht. Der gleiche Laden stellt ihm eh seine Ausrüstung zur Verfügung, da sollten sich andere um einen Satz Trainingsreifen im Wert von 70 Mark oder aber um einen Fahrradcomputer im Wert von 300 Mark abstrampeln. Er nicht.

Es war zudem eine Trainingseinheit der unangenehmeren Art für den Profi. Unmittelbar vor dem Start des Hauptrennens verscheuchte ein Wolkenbruch die Anrainer von ihren im Vorgarten plazierten Gartenstühlen und sorgte auch für erschwerte Bedingungen auf der Straße. Das Publikum sammelte sich nun unter dem Vordach eines Supermarktes, wo neben der Nummernausgabe auch der Kaffee-und Kuchenverkauf plaziert war, und unter der eilig hervorgekurbelten Markise eines Blumengeschäftes an der Stresemannallee.

Mit kräftigen Tritten kämpfte sich Lehmann jeweils ein paar Meter vor der Ziellinie in die Punktränge während der Wertungsrunden, um offenbar gelangweilt während der restlichen Durchgänge im Hauptfeld zu verharren. Auch als sich nach etwa der Hälfte des Rennens eine Ausreißergruppe zusammenfand, um die noch ausstehenden Wertungen für sich zu entscheiden. Wohl wissend, daß keiner von denen seinen Vorsprung gefährden könne, fuhr Lehmann von dort an, nur noch sein Rennen nach Hause. Mit fünf Punkten Vorsprung gewann er vor dem Berliner Olaf Schnaar und vor Eberhard Vogt aus Wellinghusen.

Ankommen, nur bloß das Ziel erreichen, das war die Direktive eines anderen Fahrers vom Harvestehuder RV. Eiligst ließ Teammanager Werner von Hacht noch durch den Streckenkomentator eine besondere Gratifikation für den gelungenen Zieleinlauf des Nachwuchsfahrers verkünden. Fünfzig Mark packte der Fahrradhändler noch aus eigener Tasche drauf, um Wischmann das Dabeisein zu versüßen.

„Mit dem Rennen bin ich zufrieden“, äußerte sich dann auch von Hacht hernach. „Nur das Wetter hätte wesentlich besser sein können. Zudem sei es schade, daß wegen der Sachsenrundfahrt keine Bundesligafahrer aus der Mannschaft der RG Hamburg mitgefahren sind.“