Rentnertreff bei Jugendfete

■ Schwache Stars beenden gelungenes Europäisches Schwul-Lesbisches Jugendtreffen

Je später der Abend, desto lahmer die Gäste. Die Abschlußgala des 2. Europäischen Schwul Lesbischen Jugendtreffens am Samstag im Curio-Haus begann furios und endete zum Weglaufen. Zunächst kam der Star. Hape Kerkeling, einst heftig sauer auf sein Outing durch Rosa von Praunheim, trat erstmals für ein homosexuelles Publikum auf. Die Jugend war begeistert und wollte sich von ihm nicht enttäuschen lassen.

Und im Prolog ging auch alles gut. Der unrasierte Moderator aus Düsseldorf präsentierte sich frisch und witzig. Rainer Bielfeldt und Gayle Tufts, seine ersten Gäste, sangen in gewohnt guter Manier. Doch von da an gings bergab. Deutschlands berühmtester Transvestit Charlotte von Mahlsdorf zeigte Starallüren und ließ sich peinlich für jedes ihrer altbekannten Statements feiern. Kerkeling diente der alten Dame, zu deren Erfolg ausgerechnet besagter Rosa von Praunheim mit seinem Film-Porträt wesentlich beigetragen hat, als Stichwortgeber. Dabei verpaßte er um Längen den geeigneten Zeitpunkt, das Interview zu beenden.

Es folgten eine aufgebauschte Hut-Jonglage, ein flaches lesbisches Sängerinnen-Duo und ein durchschaubarer Zauberer, alle nicht einmal mittelmäßig. Auch Kerkeling ging bald die Luft aus. Konzeptlos sprach er mit dem Publikum, scheute das von dort geforderte Bad in der Menge und versuchte sich mit spontaner Witzigkeit. Immerhin suchte er sich beim Gespräch mit anwesenden Journalisten zielsicher zuerst den taz-Fotografen Lübberstedt für einen Small-Talk aus. Als ihm gar nichts mehr einfiel, ließ der mollige Moderator die Leute singen. Die schienen nur darauf gewartet zu haben und intonierten sofort begeistert „Das ganze Leben ist ein Quiz“, wobei sich der Saal in ein Meer mit der dazu typischen wiegenden Armbewegung verwandelte. Das große schwule Bekenntnis Kerkelings blieb aus, war aber auch nicht nötig. Unverklemmt stand er auf der Bühne und hatte sichtbar Spaß am Auftritt, den er für einen Blumenstrauß zugesagt hatte.

Nach dem so hochkarätigen Kulturprogramm des Treffens ist unverständlich, warum die Jugend zur Abschlußgala nicht von der Rentnerinnentruppe „Frivoldis“ verschont werden konnte, die nicht nur schief, sondern auch ohne Ende sangen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten viele Gäste ohnehin schon eine Abstimmung mit den Füssen vorgenommen und warteten in den Nebenräumen auf die Disco.

Damit verpaßten sie das Finale, zu dem auch alle Veranstalter noch einmal auf die Bühne kamen. Die fanden die Woche in Hamburg zu recht viel zu verregnet, aber doch sehr gelungen. In einem Jahr soll es ein Folgetreffen in Brüssel geben. Vielleicht gelingt es dort ja auch, die zwei Programmpunkte zu etablieren, die Kerkeling in Hamburg vermißte: Eine „vorweihnachtliche homosexuelle Bastelgruppe mit selbstgekneteten Krippen“ und „Modellieren mit Kartoffelsalat“.

Martin Borchers