Schwagerstadt des Brazil-Pop

■ Mini-Festival afro-brasilianischer Musik mit Gilberto Gil, Ara Ketu und Don Pullen von Dienstag bis Freitag in der Fabrik

Musikalisch betrachtet liegt der Bundesstaat Bahia in Hamburg näher als etwa Bayern. Bereits seit vielen Jahren ist Musik aus Brasilien im kühlen deutschen Norden ein Selbstgänger unter den musikalischen Geheimtips. Spezielle Sendungen im Rundfunk informieren die treue „brasilianische“ Fangemeinde regelmäßig über die neuesten Trends und Musiker aus diesem vielfältigen Land betreten die nordeuropäischen Bühnen mit erstaunlicher und erfolgreicher Regelmäßigkeit. Caetano Veloso beim Jazzport war dafür ebenso Beweis wie der Programmschwerpunkt der Fabrik dieser Woche.

Die Konzertreihe mit Musik aus Brasilien, die mit dem Auftritt der Karneval-Trommler Olodum Anfang dieses Monats eingeleitet wurde und nun zwischen 27. und 29. Juli drei weitere, sehr unterschiedliche Darstellungen brasilianischer Musik bietet, hat dennoch nicht den Anspruch die dortige Musikszene exemplarisch zu präsentieren. Denn das Spektrum der Klangfarben, die aus dem Schmelztiegel afro-amerikanischer Einflüsse kreiert werden, sind genauso reichlich, wie hierzulande die Biersorten.

Eingeleitet wird das Mini-Festival mit einem der namhaftesten brasilianischen Musiker: Gilberto Gil. In seiner Heimat ist der 50jährige Sänger und Gitarrist längst eine Legende. In Europa und in den USA hat er ein Stammpublikum, obwohl er vielleicht nicht so bekannt ist, wie etwa sein Landsmann Milton Nasciemento. Für die Armen in den elenden Slums der Großstädte ist Gil die Stimme ihrer Leiden und sein ewig lachendes Gesicht eine Hoffnung für eine bessere Zukunft.

Zusammen mit Caetano Veloso und der Sängerin Gal Costa startete er vor mehr als zwanzig Jahren eine musikalische und kulturelle Bewegung, die unter dem Namen Tropicalista bekannt geworden ist. Seine Popularität half ihm, Kultusminister im Bundesstaat Bahia zu werden. Jetzt versucht er, sich die Enttäuschungen seiner kurzen politischen Karriere von der Seele zu singen. Seine explosive Popmusik ist eine Mischung aus Samba, Soul und Reggae und auf jeder Studentenfete in der Tanzecke beliebtestes Bewegungsfutter.

Mit einer Samba-Reggae-Mischung ganz anderer Natur kommt einen Tag später (28. Juli) das elfköpfige Ensemble Ara Ketu. Die Combo, die zum ersten Mal in Hamburg gastiert, orientiert sich allerdings eher an den afrikanischen Wurzeln als an westlichem Pop. Das bezeugt auch die Präsenz von fünf Perkussionisten.

Das Quintett, das am 29. Juli den konzertanten Teil des Festivals beschließt, ist keine reine brasilianische Combo. Der Leader, Pianist Don Pullen, stammt aus den Staaten, Altsaxophonist Carlos Ward aus Panama und der Perkussionist Mor Thiam aus Senegal. Bassist Nilson Matta und Schlagzeuger J.T. Lewis allerdings kommen aus Brasilien. Der Name der Combo ist Programm: Afro-Brazilian Connection. Die Reise soll von Afrika zu der Chicagoer und New Yorker Jazz-Szene führen. Das Klavierspiel des Mannes mit den „explodierenden Fingern“ wird mit dem von Cecil Taylor verglichen und der langjährige Weggefährte von Dollar Brand, Carlos Ward, hat sich von Größen des Altsaxophons wie Charlie Parker, Ornette Coleman und Eric Dolphy inspirieren lassen.

Die Konzertreihe geht am Freitag mit einer brasilianischen Tanznacht zu Ende.

Nikos Theodorakopulos