„Nur, weil der Blick zurück vergessen wurde...“

■ Gedenkfeier für Bomben-Opfer: Bubis lenkt den Blick auf Gewalt gegen Ausländer

Die Stadt Hamburg hat am Sonnabend an der zerstörten Nikolai-Kirche der Opfer der Bombenangriffe vor 50 Jahren gedacht. Bei Regenwetter versammelten sich rund 1000 Bürger vor der Ruine, um an die Schrecken der „Operation Gomorrha“ zu erinnern und für eine Welt ohne Krieg und Gewalt zu demonstrieren. Die 147 Meter hohe Spitze des Kirchturms war damals Orientierungspunkt der Bomberpiloten gewesen.

Das „Gomorrha Memorial“ wurde vom Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche“ veranstaltet. Bürgermeister Henning Voscherau sagte: „Hamburg hat sich um sein eindrucksvolles Mahnmal, die durch Bomben zerstörte Kirche St. Nikolai, versammelt, um der schrecklichsten, der leidvollsten Tage in der Geschichte unserer Stadt, um der Tage und Nächte voller Not, Leid und Tod zu gedenken; um zu trauern, zu erinnern, zu mahnen.“

Der Bürgermeister forderte gleichzeitig, sich heute ehrlich einer Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext der „Operation Gomorrha“ zu stellen: „Wer will im Land der Täter Verbrechen gegen Verbrechen aufrechnen.“ Hätten die Alliierten nicht den Mut und die Entschlossenheit gefunden, den Nationalsozialismus erfolgreich zu bekämpfen, hätte es dann die Befreiung geben können, fragte der Bürgermeister.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, mahnte, die Vergangenheit nicht zu verdrängen. Er habe den Eindruck, daß wir „nur nach vorne schauen“. „Wir haben schon vergessen, daß es 55 Millionen Tote gegeben hat, Tote an den Fronten, durch Bomben und Tote, deren einzige Schuld es war, daß sie jüdisch oder Roma und Sinti waren.“

Die Gewalt gegen Ausländer heute, so Bubis weiter, sei nur möglich, weil der Blick zurück vergessen worden sei. „Zwar ist dies nur eine kleine Gruppe, es muß aber die Frage gestattet sein, wieso ein Volk von 80 Millionen Menschen und ein so mächtiger Staat mit dieser kleinen Gruppe von Gewalttätern nicht fertig wird.“ Bubis forderte alle auf, wachsam zu sein „und das zu bekämpfen, was uns schon einmal in den Abgrund geführt hat“.

dpa