Ein Saal geht auf Reisen

■ Der denkmalgeschützte Kaisersaal im alten Grand Hotel Esplanade wird um 50 Meter verschoben / Wilhelminische Ensemble als Ganzes verloren / Sony läßt Rest der Hotelruine für Neubau abreißen

Die Tage des alten Grand Hotel Esplanade zwischen Bellevue, Link- und Potsdamer Straße sind gezählt. Im nächsten Frühjahr läuft der Nutzungsvertrag mit den derzeitigen Pächtern, dem Globe Theatre, aus, dann will die Sony AG die Hotelruine teilweise abreißen, den Rest um- und neubauen lassen. Nach den Plänen des Chicagoer Architekten Helmut Jahn soll an dieser Stelle ein gläserner Hotelkomplex entstehen, vor die moderne Vorderfront wird die im Krieg zerstörte, aber neu rekonstruierte Fassade des Grandhotels montiert.

Wie genau allerdings die denkmalgeschützten und vom Globe Theatre liebevoll instand gesetzten Esplanadereste in das zukünftige Business-Hotel passen, steht noch nicht fest. Alle Pläne werden derzeit umgedacht. Denn als Jahn im vergangenen Sommer die Entwürfe für die Sony-Piazza auf dem Potsdamer Platz vorstellte, ging er davon aus, daß der Innenflügel des alten Esplanadehotels, mit dem Marmor, Stuck und vielen Spiegeln geschmückten „Roten Saal“ zugunsten einer Straßenverbreiterung ersatzlos abgerissen wird. Weil aber dies ein Irrtum war, der allerdings nicht Sony zur Last gelegt werden kann, sondern der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, muß Jahn jetzt seine Pläne neu zeichnen. Die Senatsplaner hatten vergessen, den „Roten Saal“ in den Meßplänen als denkmalgeschützt zu markieren.

Damit die Potsdamer Straße so breit gebaut wie geplant (52 Meter) und der in wilhelmischer Pracht glänzende „Rote“ oder auch „Kaisersaal“ genannte Raum gleichzeitig erhalten bleibt, muß er verlegt werden. Er muß umziehen, genau 50 Meter nach vorne in die Bellevuestraße, genau dorthin wo das neue Sonyhotel errichtet werden soll. Zustande kam dieser Kompromiß, über den die Senatsverwaltung ganz glücklich ist, auch erst nach wochenlangen schwierigen Verhandlungen. Denn nach Auskunft der Pressesprecherin von Sony Berlin, Frau Steinke, koste die „Verschiebung“ des Kaisersaals enorm viel Geld.

Brutaler Kaiserschnitt am alten Kaisersaal

Die Innenarchitektur des neuen Hotels muß, weil ein unerwartet neuer Raum dazugekommen ist, neu überlegt, sämtliche Schritte mit dem Landeskonservator abgestimmt und ein technisches Konzept ausgetüftelt werden, wie der Umzug vonstatten gehen soll. Die von Helmut Jahn überarbeiteten Entwürfe werden Ende September/Anfang Oktober der Öffentlichkeit präsentiert. Erst dann, so sagt sie, werde man genau wissen, ob der Kaisersaal in Zukunft ein Café oder ein „Bankettsaal“ wird.

Präzise Vorstellungen wie der Kaisersaal schonend verpflanzt werden kann, hat auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht. Nach Auskunft von Pressesprecherin Ulrike Plewina denkt man derzeit darüber nach, ob es möglich sei, denn Innenraum „in großen Blöcken aus dem Gemäuer zu schneiden und woanders wieder zusammen zu montieren“.

Eine Idee, die der Geschäftsführer des seit 1992 im alten Grand Hotel residierenden Globe Theatre, Klaus Lutz, für „abenteuerlich“ hält. Die Wände seien fünf Meter dick und aus sehr solidem Stein. Er fürchtet, daß der alte Stuck nur „abgekupfert“, neu mit Patina versehen und an moderne Betonwände „rangeklatscht“ wird. Für „ganz, ganz traurig“ und unter denkmalschützerischen Gesichtspunkten „bedenklich“ hält er auch die Tatsache, daß durch die Verlegung des Kaisersaaly die traditionelle Einheit Silbersaal, Palmengarten, Prunktreppen- und Prunktoiltten zerissen wird. Eine Befürchtung die auch vom Berlins obersten Denkmalschützer Helmut Engel geteilt wird. Für ihn sind solche Transaktionen „Kaiserschnitte der Denkmalpflege“. Denn zur Konservierung von Baudenkmälern gehöre auch die Bewahrung des historischen Orts. Anita Kugler

Siehe auch die „Berlinalie“ auf der Seite 4