Wählerwiederbelebungswerbung

■ Kampagne der Staatlichen Pressestelle wirbt für höhere Wahlbeteiligung / Opposition sauer: „gelenkte SPD-Aktion“     Von Sannah Koch

Eine Kampagne, bei der viele Köche ihren Brei kochen, wird das Wahlvolk ab heute bis zum 19. September begleiten. „Stell Dir vor, es ist Wahl, und alle gehen hin“, dieser Slogan soll auf Plakaten und in Radiospots die HamburgerInnen an ihre oberste Bürgerpflicht erinnern: Sich ja nicht weiter wahlenthaltsam und politikverdrossen zu zeigen, ihre Stimme als Kreuzchen auf dem Wahlzettel in die Waagschale zu werfen und damit der Demokratie eine Chance zu geben. Dies wünschten sich gestern einhellig: Die Werbeagentur, deren Kind die Kampagne ist, die Staatliche Pressestelle, die das nötige Kleingeld (etwa 240.000 Mark) zuschießt und Vertreter von fast allen Hamburger Verlagen und Radios.

„Wir haben die Kampagne vorgeschlagen, weil unsere Demokratie von Apathie und wachsender Ausländerfeindlichkeit bedroht wird“, begründet Geschäftsführer Tilman Görres die Idee seiner Agentur IPR&O. Eine Wahlbeteiligung von nur 66,1 Prozent, wie bei der vergangenen Bürgerschaftswahl 1991, schade der Demokratie. Mit ihrem Slogan setze man einen „positive Utopie“ gegen diesen Trend. In der zweiter Werbe-Phase sollen sich Prominente zu Wort melden (so HSV-Torwart Golz: „Ich wähle, damit die Demokratie nicht gegen den Abstieg kämpft“, Rundfunkmoderator John Ment: „Ich wähle, weil ich lieber Pop als Parolen höre“, und andere). Das Konzept hat die Agentur der Staatlichen Pressestelle kostenlos angeboten. Görres kleine Randbemerkung: „Wenn das Konzept greift, möchten wir die Rechte zurückhaben, um es der Bundesregierung anzubieten.“

Die Staatliche Pressestelle und Bürgermeister Voscherau waren hocherfreut über die Demokratiewerbung – die, so die allseitigen Beteuerungen, strikte parteipolitische Neutralität wahre. Ein Geheimnis ist es aber nicht: Eine hohe Wahlbeteiligung nützt in der Regel den großen Parteien und hängt die Fünf-Prozent-Hürde für die Kleinen höher. Um so positiver kam für Voscherau das Angebot der Medienvertreter, die Kampagne an seiner Stelle vorzustellen: Drängt sich so der Eindruck etwas weniger auf, Voscherau betreibe damit SPD-Wahlkampf aus den Töpfen der Staatlichen Pressestelle.

Auf den Werbetafeln gut verborgen, doch wie die Medienleute beteuerten, ideell im Vordergrund: Das Ansinnen, die rechtsextremen Parteien aus der Bürgerschaft fernzuhalten. Warum keine Aussagen zu diesem Thema? Die Staatliche Pressestelle, so die Begründung von Sprecher Franz Klein, dürfe keine Werbung gegen bestimmte Parteien machen. Die Rathausfraktionen hätten gedurft, doch sie wurden im Vorwege nicht beteiligt. Ihre prompte Reaktion: „Stillose Vorgehensweise“ (CDU), „gelenkte Aktion des SPD-Senats“ (FDP), „Wer nicht wählt, wählt auch eine Politik“ (Grüne), „ ...“ (SPD).