Lauter Helden

■ Peinlich geflopt: Justus Frantzens „Klassik am Meer“ in Bremerhaven

Es war als „Konzertereignis des Jahres“ angekündigt. Um Bremerhavens sogenannter „Seebäderkaje“, einen tristen Anlegeplatz für Helgolandfähren, zum kulturellen Open-Air-Gelände aufzuwerten, hatten städtische Veranstaltungsmatadore im Verein mit Wirtschaftsstadträten den Selbstdarstellungskünstler Justus Frantz und das Londoner Royal Philharmonic Orchstra zur „Klassik am Meer“ geladen.

Die Veranstalter hofften auf „tourismus- und wirtschaftspolitische Effekte“, die Stadt mußte eine Ausfallbürgschaft von 100.000 Mark zusagen, Bremen steuerte weitere 100.000 Mark aus dem „Wirtschaftlichen Aktionsprogramm“ (WAP) bei. 350.000 Mark kostete das Spektakel insgesamt; 6.000 Zuschauer hätte das umgitterte Gelände fassen können. Aber kaum 4.000 wetterfeste Klassik-Fans setzten sich auf die naßgeregneten Klappstühle; sie durften allerdings ein Schauspiel wie von Loriot genießen.

Die weißbefrackten Musiker kämpften zu Tschaikowskys „Slawischem Marsch“ vehement um Pulte und Noten, da ihnen der Wind von der Seite ins Konzertmuschelzelt blies. Und Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 über Verstärkeranlage klang wie blecherner Brei, gewürzt mit allerlei Störgeräuschen.

„Wir sind alle Helden“, hatte der Meister des Klassik-Verschnitts anfangs seinem Publikum zugerufen, aber nach der Pause ließen ihn die Musiker im Stich, und Justus Frantz mußte allein zum Mikrophon greifen: Jetzt müsse er das Orchester nach Hause schicken, es habe morgen einen weiteren Auftritt. Der angekündigte Höhepunkt des Abends, Dvoraks „Symphonie aus der Neuen Welt“, fiel dem Wetter der Alten Welt zum Opfer; stattdessen spielte Justus Frantz ganz alleine Bachs „Italienisches Konzert“.

Wer nicht zu dem erstaunlich großen Kreis der Ehrengäste gehörte, durfte für den Sommerspaß 45 bis 90 Mark hinblättern. Das als Pilotprojekt gedachte Spektakel reißt dennoch ein Loch in die leeren Kulturkassen der Stadt. Hans Happel