ÖTV will DGB-Chefin boykottieren

■ Heftiger Streit um Verhältnis der Gewerkschaften zur Senatspolitik ausgebrochen

Zwischen der Bremer Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und der neuen Kreisvorsitzenden des Bremer DGB, Helga Ziegert, ist die Stimmung bis weit unter den Nullpunkt abgesackt. “...teile ich Dir mit, daß ich nicht mehr bereit bin, Dich bei Deiner Arbeit zu unterstützen“, heißt es in einem Brief des ÖTV-Bezirksvorsitzenden Holger Wohlleben an die „Liebe Helga“. Doch damit nicht genug: Für das Ende der Sommerpause droht Wohlleben sogar mit einer Mobilisierung aller DGB-Gewerkschaften gegen die Vorsitzende: „Ich werde auch dafür werben, daß die ÖTV insgesamt und die anderern Einzelgewerkschaften des DGB Dir die Unterstützung versagen.“

Hintergrund der scharfen Distanzierung des ÖTV-Chefs von der DGB-Vorsitzenden ist neben gewerkschaftsinternen Grabenkämpfen eine Auseinandersetzung um die Frage, in welchem Verhältnis die Gewerkschaften zur Bremer Landesregierung stehen sollen. Während die DGB- Vorsitzende dem amtierenden Senat eine Mitverantwortung für ausländerfeindliche und rechtsradikale Ausschreitungen vorwirft, setzt der ÖTV-Chef auf eine Kooperation im Sinne der „Bremer Erklärung“, die vor der letzten Wahl von Gewerkschaften, Kirchen und den Parteien CDU, SPD, FDP und Grünen gemeinsam beschlossen worden war.

Letzter konkreter Anlaß für den scharfen Protest des ÖTV- Chefs war schließlich ein Brief, den der DGB-Pressesprecher Manfred Weule im Auftrag seiner Vorsitzenden Helga Ziegert Anfang Juli an die taz geschrieben hatte. Darin hatte der DGB- Kreisvorstand mitgeteilt, daß er sich nicht an der taz-Initiative „Druck gegen Rechts — das Land Bremen zeigt Flagge“ (vgl. untenstehenden Kasten) beteiligen will. Wörtlich heißt es darin: „Mit Befremden stellt die DGB- Kreisvorsitzende fest, daß ausgerechnet der Bremer Senat zu dieser Aktion aufruft, ist dieser doch i.E. vor dem Hintergrund der bereits vollzogenen und der noch angekündigten Kürzungen im Sozialbereich politisch mitverantwortlich für die zunehmende Gewaltbereitschaft und wachsende Fremdenfeindlichkeit.“

Vor allem über diese Formulierung sei er „entsetzt“ gewesen, schreibt Wohlleben in seinem Brief an die „Liebe Helga“, und weiter: „Ich bestreite ganz ent

Angegriffen: DGB-Chefin Ziegert

schieden, daß der Bremer Senat mitverantwortlich sein soll für die zunehmende Gewaltbereitschaft und wachsende Fremdenfeindlichkeit. Die Ursachen sind so differenziert, daß eine solche Aussage nur als Schlag unterhalb der Gürtellinie gewertet werden kann.“

Streit hatte es bereits im Juni gegeben, als Helga Ziegert mit einem spontanen Beschluß des DGB-Kreisvorstandes im Rücken mit einer Flugblattaktion in der Bürgerschaft protestiert hatte. Wegen der Verletzung der Hausordnung des Parlaments war ihr von anderen Gewerkschaftern nachträglich ihre „Sponti-Aktion“ vorgeworfen worden.

Die Sprecherin der Bremer IG-Metall, Inge Lies- Bohlmann, vermutet hinter dem Angriff auf die DGB- Chefin allerdings andere Gründe: „Die ÖTV will den DGB-Kreisverband demontieren. Stattdessen sollte sie lieber in eine ernsthafte Diskussion über Rechtsradikalismus und die Rolle des Senats einsteigen.“ Insbesondere sei es „ein schlechtes Verfahren“, einen Brief an die DGB-Chefin zu schreiben und dann noch während ihres Urlaubs damit an die Öffentlichkeit zu gehen. So habe Helga Ziegert keine Möglichkeit gehabt, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Die DGB-Chefin selber nahm den Wohlleben-Brief am ersten Tag nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub zum Anlaß, eine außerordentliche Sitzung des Kreisvorstandes für den 10. August einzuberufen. Wohllebens Interpretation ihrer Ablehnung der taz-Aktion sei „übelste Unterstellung“, sagte sie gestern auf Anfrage. Und die Drohung, ihr künftig die Zusammenarbeit zu verweigern, sei „schädlich für die Situation in der Gewerkschaft“. Einen geharnischten Antwortbrief an den ÖTV-Chef will sie heute in die Post geben. Ase