BIPS: Eine Mark raus, fünf rein

■ Mit dem senatorischen Rotstift unterwegs (6): Das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin

„So blöd kann im Senat eigentlich niemand sein, daß er uns weghaben will.“ Prof. Eberhard Greiser, Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), klingt zuversichtlich. Dabei hätte er allen Grund, besorgt zu sein. Sein Institut steht als potentielles Kürzungsprojekt auf der Giftliste der Arbeitsgruppe Aufgabenoptimierung. Die soll unter Federführung der Senatskanzlei zur Sicherung des Haushaltes 1994 in allen Ressorts nach Kürzungsmöglichkeiten fahnden. Beim BIPS, so erklärte Greiser gestern, haut das schon rein rechnerisch nicht hin.

Das BIPS hat im laufenden Jahr je 525.000 Mark von den Ressorts Wissenschaft und Gesundheit bekommen, dazu werden drei Stellen direkt über die Personalstelle des Landes Bremen (SKP) finanziert. „Insgesamt haben wir einen Haushalt knapp über sechs Millionen“, rechnet Greiser vor. Das bedeutet: Jede Mark aus Bremen stehen ca. 5 Mark aus Drittmittel-Akquise gegenüber. Außerdem sorgt das BIPS mit Lohnsteuern für etwa 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Umsatzsteuern dafür, daß etwa die Hälfte des Bremer BIPS- Geldes wieder in die Kassen des Bundeslandes Bremen zurückfließt.

Das BIPS ist in Norddeutschland das einzige, in der Bundesrepublik eines von fünf Instituten, das sich auf Epidemiologie spezialisiert hat: die Wissenschaft der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten sowie deren Ursachen und Folgen. Drittmittel akquiriert das BIPS vom Bundesforschungsminister und von verschiedenen Länderregierungen.

Schwerpunkte bislang: Risikostudien über die Entstehung von Krebs und Herz-kreislauf- Erkrankungen. Derzeit beispielsweise leisten die Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren Teil zur Lösung der rätselhaften Leukämie-Fälle bei Kindern und Jugendlichen um das Atomkraftwerk in Krümel bei Hamburg. „Wenn es einen nennenswerten Austritt von radioaktiven Isotopen aus dem Kraftwerk gegeben hat, dann müßte das bei allen Altersgruppen Reaktionen ausgelöst haben“, erklärt Greiser.

Im Auftrag des schleswig- holsteinischen Umweltministeriums untersucht das BIPS jetzt alle Fälle von Leukämie und Lymphdrüsenkrebs in allen Altersgruppen in den drei um das AKW Krümel gelegenen Landkreisen Harburg, Lauenburg und Lüneburg. Eine echte Tüftelarbeit, denn die Daten müssen in sämtlichen Krankenhäusern der Landkreise, in den Arztpraxen und den Gesundheitsämtern meist erst noch aus den Karteibergen freigeschaufelt werden, bevor sie ausgewertet werden können. Dazu komplizieren datenschutzrechtliche Bestimmungen die Arbeitsverfahren, außerdem hängen mittlerweile auch die Daten Hamburgs in der Untersuchung drin. „Und für alles haben wir genau ein Jahr Zeit“, sagt Greiser.

Welche Risiken bergen Arnzeimittel für Krebs? Welche Gefahren drohen am Arbeitsplatz? Welchen Anteil hat das Rauchen am Krebsrisiko? Wie wirkt das Bremer Methadonprogramm? Alles Fragen für's BIPS. Drittmittel sind dabei für das Institut das A und O. 1991 akquirierte das Institut ca. sieben Millionen für Forschungsaufträge (die über mehrere Jahre laufen, damit verwischt sich der Jahresschnitt etwas; zum Vergleich: Die Uni hatte im gleichen Jahr 55 Mio. Mark an Drittmitteln lockergemacht). Der Nachteil von dieser Drittmittelabhängigkeit ist ein ungeheur großer Termindruck. „Wir machen hier oft mit hängender Zunge den Abschlußbericht und haben damit dann erst das Material, womit wir tiefer in eine Materie einsteigen könnten“, erklärt Greiser.

„Die Zeiten sind gut für Forschung“, sagt Greiser mit dem Selbstbewußtsein derer, die gebraucht werden. Und auch gegen die Drittmittelabhängigkeit ist ein Weg schon gefunden: Das BIPS soll auf die sog. „Blaue Liste“, auf der bundesweit alle Institute stehen, die gemeinsam von Bund und Ländern grundfinanziert werden. „Alle anderen vier Institute, an denen in der BRD epidemiologisch geforscht wird, genießen bereits die Unterstützung des Bundes“, sagt Greiser. Markus Daschner