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Brandstiftung in der Friedrichstraße

■ Die Polizei sucht nach unbefugt nächtigenden Personen, die aber niemand gesehen hat / Politische Motive sind unwahrscheinlich

Im Flur des halbfertigen Neubaus in der Friedrichstraße zeugt noch ein Haufen verkohlten Mülls von dem Brand in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Bretter und Holzbalken, Coladosen und Bierflaschen, dazwischen zusammengeknülltes Zigarettenpapier und Gummischläuche liegen zwischen Treppe, Aufzug und Haustür. Eine der Marmorimitatsäulen ist bis zur Decke verkohlt, an Wänden und Decke klebt der Ruß. Zu Schaden kam niemand, da die gegen fünf Uhr morgens anrückende Feuerwehr den Brand in einer Viertelstunde unter Kontrolle brachte. „Wäre es aber richtig losgegangen, ich hätte es nicht mehr nach draußen geschafft“, sagt Michael P. Er ist querschnittgelähmt, auf den Rollstuhl angewiesen und wohnt im vierten Stock.

Wer den Brand gelegt hat, weiß niemand. Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung durch Brandstiftung. „Nach Aussagen der Mieter halten sich im Erdgeschoß öfters Personen auf und nächtigen, die dort nicht hingehören“, sagt Polizeisprecherin Rita König. Wahrscheinlich hätten die ihren eigenen Müll angezündet. Politische Motive, die sich gegen die dort lebenden Behinderten und Aussiedler oder das entstehende Gehörlosenzentrum richteten, seien unwahrscheinlich.

Die Bewohner halten wenig von der „Obdachlosen- und Pennerthese“, so Michael P. Er habe solche Figuren noch nie hier gesehen. Auch seine Nachbarin ist noch nie Unbefugten im Hausflur begegnet. „Da stehen auch ständig beide Türen auf, und es zieht, da schläft doch keiner.“ Auch den Müllberg hat sie vorher nicht gesehen. Für Michael ist der Brand ohnehin nur das letzte einer Reihe von Problemen, die er mit der Wohnung hat, seit er vor einer Woche einzog. Er hat weder Telefon- noch Alarmanlage, keinen Zugang zum Balkon und vor dem Fenster arbeiten die Bauarbeiter. Außerdem bleibe der Aufzug ständig stecken, vor drei Tagen mußte er nachts zwei Stunden warten, ehe jemand den Fahrstuhl wieder in Gang brachte. Seit dem Brand funktioniere er gar nicht mehr.

Die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft GSW, Besitzerin des Gebäudes, will die Baustelle jetzt besser absichern. „Das kommt immer mal vor, daß es auf einer Baustelle brennt“, so Sprecher Bernhard Wolter. Mutwillen gegenüber den zukünftigen Nutzern vermutet er nicht. Darüber, daß in der Baustelle bereits Menschen wohnen, zeigt er sich selbst erstaunt. cor

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