Nepals Regierung in Bedrängnis

Ernüchterung nach der demokratischen Revolution / Anhaltende Agitation der kommunistischen Opposition / Korruption, Führungsschwäche und Vetternwirtschaft  ■ Aus Katmandu Bernard Imhasly

In Nepal macht sich, drei Jahre nach der erfolgreichen demokratischen Revolution, Ernüchterung breit. Die Regierung von G.P. Koirala ist vor allem damit beschäftigt, die alten Machtpositionen personell neu zu besetzen, statt sie aufzulösen. Dies gibt der hartnäckigen Abnützungskampagne der Linksopposition zunehmend Erfolgschancen.

Schwere Monsunregen haben in den letzten Wochen zur Überflutung Hunderter von Dörfern geführt und Tausende von Opfern gefordert. Eingerissene Brücken unterbrachen die Verbindungsstraßen zu Indien und verursachten im Katmandu-Tal und den Bergtälern empfindliche Versorgungsschwierigkeiten. Für die Regierung kamen die Regenstürme allerdings gelegen. Sie dämpften die Agitation der kommunistischen Oppositionsparteien gerade in einem Augenblick, als diese ihrem Ziel, der Ersetzung von Premierminister G.P. Koirala, nahe zu sein schienen. Doch als sie am 19. Juli einen dreitägigen Transportstreik ausriefen, sorgten Erdrutsche, eingestürzte Brücken und der Benzinmangel dafür, daß die Straßen im Katmandu-Tal, dem politischen Nervenzentrum des Landes, ohnehin weitgehend leer blieben.

Die Kampagne zum Sturz des Prmierministers hatte im Mai ihren Anfang genommen, als zwei kommunistische Parteiführer mit ihrem Fahrzeug in einen Fluß stürzten und ertranken. Da sich der Chauffeur des Autos retten konnte, sah die KPN-UML („United Marxists-Leninists“) darin ein Komplott der Regierung. Sie wies den Bericht einer offiziellen Untersuchungskommission zurück und begann im Juni mit Demonstrationen, die rasch in Brandschatzungen und Plünderungen ausarteten. Die Regierung reagierte mit massivem Polizeieinsatz, der zu zahlreichen Verhaftungen und dem Tod von elf Personen führte. Ähnlich wie im April 1990, als der Tod von Demonstranten die demokratische Bewegung erst zu einer Revolution anschwellen ließ, hatte die Opposition damit ihre Märtyrer, die nun ihrerseits für den Kampf zum Sturz Koiralas herhalten mußten.

Politik der Straße

Die Kommunisten rechtfertigen ihre Agitation mit der Anklage der Korruption, der Führungschwäche und des Nepotismus. Auch unabhängige Beobachter stimmen diesen Vorwürfen zu. Es ist Koirala in den zwei Jahren seiner Regierungszeit offensichtlich nicht gelungen, die demokratische Aufbruchstimmung von 1990 in eine Politik umzusetzen, welche eine Abkehr von der Fäulnis des monarchischen Regimes dargestellt hätte.

Im Namen der Säuberung von korrupten Elementen und der demokratischen Dezentralisierung begann Koirala vielmehr, die alten Staatspfründen in den Dörfern, Distrikten und zentralen Ministerien unter neuen demokratischen Namen wieder aufleben zu lassen und mit ihm ergebenen Leuten der Kongreß-Partei zu füllen. Die kommunistischen Parteien hatten – mit Recht – den Sieg der Demokratiebewegung ebenso wie ihr gutes Abschneiden in den ersten allgemeinen Wahlen von 1991 auf die langjährige Infiltration der Dorf- und Distrikträte zurückgeführt. Nun drohte der frühere Partner in der antimonarchistischen Agitation diese politische Basis zu gefährden.

Für die Linksopposition – einem Bündnis mehrerer ideologischer Splittergruppen um die „UML“, welche im Parlament mit 69 Sitzen die größte Oppositionsgruppe stellt – ist es daher wichtig, auf Koiralas Sturz hinzuarbeiten, bevor dieser rabiate Antikommunist ihrer Organisation bleibenden Schaden zufügen kann. Da der „Nepali Congress“ im Parlament eine relativ solide einfache Mehrheit hat, bleibt der Opposition nur der Umweg über die Straße.

Der Tod der beiden Parteifunktionäre mußte dabei ebenso als günstige Gelegenheit kommen wie frühere Anlässe, welche die Partei praktisch seit dem Beginn der Regierungszeit lanciert hatte: die Agitation begann 1991 mit dem Streik der Beamten für höhere Löhne, ihm folgten im April 1992 Demonstrationen gegen die Preiserhöhungen. Besonders wirksam war dann die Opposition gegen die parlamentarische Genehmigung des Vertrags mit Indien über das Wasserkraftprojekt von Tanakpur in Westnepal. Sowohl Indien wie Nepal sind dringend auf eine bessere Nutzung der Wasserkraft sowohl für Bewässerung wie für den Energiehaushalt angewiesen. Dennoch war es für die Opposition ein Leichtes, unter Ausnutzung der latenten anti-indischen Stimmung selbst innerhalb der regierenden Kongreß-Partei Unterstützung gegen eine Ratifikation des Vertrags zu finden.

Das Ziel der Opposition ist die Durchführung von Neuwahlen. Sie würde sich aber auch mit der Ersetzung Koiralas durch einen „flexibleren“ Kongreß-Politiker zufriedengeben. Die UML spielt damit geschickt mit den Rivalitäten innerhalb der Regierungspartei. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Parteipräsident K.P. Bhattarai und der alte Königsmacher Ganesh Man Singh sowohl Koiralas Führungsstil wie auch dessen aggressive Marktpolitik wenig goutieren. Dazu kommt, daß Koirala auch parteiintern Schlüsselpositionen mit seinen Vertrauensleuten und Verwandten besetzt hat. Die Unverfrorenheit, mit der er dies tat, hat ihn nicht nur den beiden Genossen in der Führungstroika entfremdet, sie hat seine Unterstützung auch im Parteivolk untergraben. Vor allem aber wirkt der glanz- und ideenlose Führungsstil des Premierministers wie eine kalte Dusche auf ein Volk, das durch die demokratische Revolution vor drei Jahren in seinen Erwartungen aufgerüttelt wurde und nun feststellen muß, daß die alten Machtträger durch eine neue Elite abgelöst werden, das System aber noch immer gleich funktioniert.

Die anhaltende Agitation der Linksopposition bringt die erste demokratisch gewählte Regierung von Premierminister G.P. Koirala immer mehr in Bedrängnis.