Sachsenmilch sickert, Müller-Milch lacht

Milchkrimi in Sachsen: Der ostdeutsche Börsenerstling ist pleite / Verstrickung in dubiose Geschäfte durch die Stuttgarter Mutterfirma Südmilch  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Auf Sachsens Milchmarkt riecht es angebrannt. Nachdem am Freitag die Dresdner Sachsenmilch AG, eine der größten Arbeitgeberinnen des Landes, die Gesamtvollstreckung beantragt hatte, erstattete der Verband privater Landwirte und Grundeigentümer gegen das Tochterunternehmen der Stuttgarter Südmilch AG eine Strafanzeige wegen des Verdachts des betrügerischen Bankrotts.

Nach Angaben des Verbandes sind von Sachsenmilch 450 private Milchbauern und 150 juristische Personen abhängig. Am Samstag gründeten 23 Landwirte eine „Erzeugergemeinschaft Milch“. Sie soll die Bauernhöfe vor dem Schlimmsten bewahren. Zwar läuft bei Sachsenmilch die Produktion vorerst weiter, doch die Bauern müssen mit einem Einbruch der ohnehin mickrigen Milchaufkaufpreise rechnen. Bisher bekamen Bauern in Sachsen für den Liter Milch bis zu acht Pfennig weniger als westdeutsche Kollegen.

Das Ministerium sieht in der Gesamtvollstreckung „Chancen eines Neubeginns“ und prüft Möglichkeiten einer Landesbürgschaft. Zu Vermutungen der Bauernvertreter, daß die dunklen Milch-Geschäfte dem Landwirtschaftsminister Rolf Jähnichen (CDU) das Amt kosten werden, gab es gestern in Dresden noch keine Erklärung.

Umstritten war die sächsische Milch-Politik von Anfang an. Zum Aufbau einer neuen Struktur der Molkereiwirtschaft hatte das Land Fördermittel in Höhe von 230 Millionen Mark lockergemacht, und zwar nahezu vollständig an Südmilch und die bayerische Müller- Milch. Unter Jähnichens Regie wurde so der Milchmarkt von ehemals 30 genossenschaftlichen Molkereien zwischen den beiden Westkonzernen aufgeteilt.

Im Dezember 1991 war die Sachsenmilch AG durch die Deutsche Bank als erstes ostdeutsches Unternehmen an der Börse eingeführt worden. Schon im Mai hatten sich Anzeichen für finanzielle Schwierigkeiten bei Sachsenmilch gehäuft. So kam das Prestigeprojekt der Landesregierung, der Neubau einer Großmolkerei „Sachsenmilch 2000“ bei Dresden, nahezu zum Erliegen. Die Deutsche Bank als Hauptgläubigerin hat sich vergangene Woche wegen Kostenüberschreitungen sowie „nicht vertretbaren Planänderungen und Nebenvereinbarungen“ aus dem Geschäft zurückgezogen.

Die von der Deutschen Bank höflich umschriebenen Geschäfte im Dunstkreis der Südmilch AG entpuppen sich mittlerweile als handfeste Kriminalität. Im Mittelpunkt stehen dubiose Vorgänge bei der Vergabe des Generalübernahmevertrages für die Großmolkerei an den Heidelberger Bauunternehmer Roland Ernst. Gegen ihn und gegen einen Teil der damaligen Führungscrew von Südmilch sowie einen Mitarbeiter der Deutschen Bank ermittelt laut dpa seit dem Wochenende die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Der im vorigen Jahr gefeuerte Südmilch-Chefmanager Wolfgang Weber sowie zwei frühere Vorstandsmitglieder sollen in einem „verdeckten Vertrag“ den vereinbarten Festpreis für die Großmolkerei von 110 Millionen DM auf 143 Millionen DM nachgebessert haben. Zusätzlich gab es eine persönliche Zuwendung von Ernst an Weber in Höhe von 750.000 Mark. Weber, 1991 wegen Steuerhinterziehung verurteilt, hat sich Gerüchten zufolge auf seine Farm in Paraguay zurückgezogen.

Beobachter des sächsischen Milchkrimis, so die Agrar-Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, Kornelia Müller, interpretierten den Vorstoß der Südmilch AG nach Dresden beizeiten als Versuch, die angeschlagene Stuttgarter Firma mit Fördergeldern zu sanieren. Als lachender Sieger steht nun Müller-Milch auf dem Parkett. Der bayerische Multi soll nach Informationen des Handelsblattes Interesse an der Übernahme angemeldet haben. Zwar will Müller-Milch seit Jahresbeginn angeblich in Geithain bei Leipzig eine Großmolkerei bauen, doch haben bisher nicht einmal die Erdarbeiten begonnen. Jetzt könnte Sachsenmilch für Müller zum Schnäppchen werden.