Jelzin korrigiert Geldreform der Zentralbank

■ Umtausch von 100.000 Rubeln möglich / Anscheinend war der Präsident über die Aktion nicht informiert worden / Forderungen nach Rücktritt des Zentralbankchefs

Moskau (taz) – Auch Boris Jelzin gehört zu den Geschädigten. Die Nacht-und-Nebel-Aktion der russischen Zentralbank, alle Banknoten bis Ende 92 aus dem Verkehr zu ziehen, kosteten ihn zwei seiner Urlaubstage im nördlichen Nowgorod. Auf einer außerordentlichen Sitzung des Sicherheitsrates gestern korrigierte Jelzin die Entscheidung der Zentralbank. Per Dekret verlängerte er die Umtauschfrist und erhöhte den Betrag des erlaubten Barumtauschs auf 100.000 Rubel. Die Zentralbank wollte nur 35.000 Rubel in neue Geldscheine wechseln, der Rest sollte für die Dauer eines halben Jahres auf den Staatskonten eingefroren werden. Bei einer jährlichen Inflationsrate von 750 Prozent kein lukratives Geschäft für die russischen Zwangssparer.

Bis zur letzten Minute wurde die Unternehmung geheimgehalten. Das ließ böse Erinnerungen in der Bevölkerung wach werden, die sich in alte Zeiten zurückversetzt fühlte. Wieder einmal, so schien es, wolle die Regierung die Hand nach ihrem Vermögen ausstrecken. Allerdings ist nicht klar, wer an der Vorbereitung der Reform außer der Zentralbank beteiligt war. Ihre Durchführung scheiterte schon am ersten Tag. Ausreichende Geldmengen standen den Banken nicht zur Verfügung.

Jelzin scheint von der Zentralbank nicht unterrichtet worden zu sein. Sein Finanzminister Fjodorow, der zur Zeit in den USA weilt, verurteilte die Maßnahme durchweg als falsch und schädlich für den weiteren Verlauf der Reformen. Erste Anzeichen der Stabilisierung des Rubels hätten den Bürgern wieder ein wenig Vertrauen in die eigene Währung gebracht. Erst am Freitag abend soll das Kabinett eingeweiht worden sein. Einige Minister hätten sich dagegen ausgesprochen. Premierminister Tschernomyrdin allerdings hieß die Reform im Namen der gesamten Regierung willkommen.

Die Zentralbank ist der Regierung gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Sie untersteht dem Obersten Sowjet. Dessen Vorsitzender Chasbulatow kündigte in einer Fernsehansprache an, die Legislative werde die Maßnahmen der Bank widerrufen. Leutselig fügte er hinzu, die Legislative werde die Interessen der Bürger Rußlands und der GUS „verteidigen“.

Ein verworrenes Bild bleibt zurück. Der Vorsitzende der Zentralbank, Geraschtschenko, gehört eigentlich in das Lager der Kritiker des Regierungskurses. Er stand Chasbulatow und der Lobby der Leiter der Staatsbetriebe näher, deren bankrotte Unternehmen er gegen den Willen der Regierung mit üppigen Krediten versehen hatte. Gerade er galt nicht als Inflationsbekämpfer. Finanzminister Fjodorow sieht in der Aktion eine politisch motivierte Aktion, um die Bevölkerung gegen die Regierung aufzubringen. Spekulationen wurden laut, dahinter stecke ein Versuch, die Regierung zu spalten, womöglich den Präsidenten gegen seinen Premier aufzubringen.

Da aber das Parlament von der Zentralbank nicht eingeweiht worden war, sieht es nicht nach einer konzertierten Aktion aus. Wahrscheinlich hat es eher mit dem alltäglichen Chaos und der permanenten Profilierungssucht einzelner Politiker zu tun. Eine durchgeplante Geldreform macht andererseits Sinn. Nur die Methode läßt zu wünschen übrig. Klaus-Helge Donath