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Kult-Kugeln aus Kichererbsen

Alle streiten sich um die Herkunft des vegetarischen Mode-Essens Falafel, obwohl es ohnehin nur einen Großlieferanten in der ganzen Stadt gibt  ■ Von Christian Arns

Grönemeyer ist mega-out: Wenn ältere Songs des Nicht-Tänzers erklingen, dann wird von Unermüdlichen bei „Currywurst“ zwar noch mitgesungen – doch in Mode ist das zerschnippelte Würstchen schon lange nicht mehr. Zunächst lief die Curryboulette dem darmumhüllten Vorgänger den Rang ab, dann konnte sich Döner durchsetzen, doch jetzt wird vegetarisch gegessen.

Falafel heißt das Zauberwort, das längst kein Insider-Tip mehr ist. Für Spötter ist Falafel nichts weiter als ein Gemüse-Döner, für echte Fans ist es die Mischung aus Multi-Kulti-Anspruch, betont gesunder – weil fleischloser – Ernährung und politisch makellosem Ersatzflair für die geächteten amerikanischen Fast-Food-Ketten.

Bei ideologiefreier Betrachtung handelt es sich um kleine Bällchen, deren Hauptbestandteil Kichererbsen sind. „Sie werden kleingehackt, dann kommen Zwiebeln dazu und Porree“, läßt sich Ali Hussein in den Teigtopf gucken, der bei Habibi in der Schöneberger Akazienstraße steht. Viele Gewürze und Kräuter müßten auf jeden Fall mit dazu, betont der Libanese, „vor allem Petersilie“. Aus diesem Teig werden kleine Kügelchen gerollt, die anschließend in Öl gebraten werden.

Wesentlich umstrittener als die Zubereitung ist jedoch die Herkunft: Glaubt die Fan-Gemeinde den Hinweisschildern, verfügt Berlin über eine riesige Menge internationaler Falafel-Bäcker: „Eine ägyptische Spezialität“, so steht es an vielen Imbiß-Buden, mindestens ebenso oft werden die gebackenen Bällchen Palästina, dem Libanon oder Jordanien zugeschrieben. Fundamentale Streits auf Uni-Fluren und in Lehrerzimmern, welcher Nationalität ein Falafel-Händler sein sollte, sind dadurch programmiert. Lohnend ist eine solche Auseinandersetzung in Berlin jedoch nicht: Fast alle Imbiß-Buden werden vom selben Falafel-Produzenten beliefert: „Falafel Carawane“ heißt die Firma von Taissir Achkar, von dem ein Händler im Wedding weiß: „Er ist der einzige Großlieferant in der Stadt, und er stammt aus Syrien.“ Ein Kreuzberger Kunde hingegen ist sich sicher, daß Achkar aus Libanon stammt, doch auch er bestätigt: „Der hat mindestens neunzig Prozent des Berliner Marktes im Griff.“ Bis vor einiger Zeit habe auch ein türkischer Produzent noch geliefert, aber „der ist längst aus dem Rennen“. Achkar selbst ist da bescheidener: „Wir haben vielleicht zwanzig oder dreißig Kunden“, erklärte er gestern der taz, und: „Ich bin Deutscher.“

Hochangesehen bei den arabischen Falafel-Händlern Berlins ist Hussein Hak, Inhaber der beiden Habibi-Filialen in der Akazienstraße und am Winterfeldtplatz. Der Iraker gehört zu den wenigen, die ihre Kichererbsen-Bällchen selbst herstellen. „Natürlich ist das besser, wir kaufen doch täglich frisches Gemüse“, steht auch für Hazim Koeiy aus dem Irak fest, der in seinem Imbiß Rissani am Spreewaldplatz ebenfalls Falafel selbst zubereitet. Einig sind sich die arabischen Händler jedoch in einem: Eine israelische Spezialität, wie es bei der Grünen Woche dargestellt werde, sei Falafel nicht. Messesprecher Michael Hofer: „Bei uns kann jeder präsentieren, was sein Land ausmacht.“

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