Einfache Verpflichtung zum Wehrdienst

■ Türken mit doppelter Staatsbürgerschaft werden in Zukunft vom Militärdienst in der Türkei befreit / Bund der EinwanderInnen fordert erneut generelle Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft

Gegen die generelle Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für türkische EinwanderInnen und ihre Nachkommen spricht kein ernst zu nehmendes Argument mehr – das meint zumindest der „Bund der EinwanderInnen aus der Türkei in Berlin-Brandenburg“ (BETB).

Hintergrund dieser Einschätzung: Der Ministerrat der Türkei hat vergangene Woche eine Verfügung erlassen, nach der Türken, die im Ausland leben und eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen oder erwerben, in Zukunft weitgehend vom Militärdienst befreit sind. Das teilte der Sprecher des BETB, Safter Cinar, gestern mit. Das Problem der zweifachen Verpflichtung zum Wehrdienst war in der Vergangenheit immer wieder gegen die Doppelstaatlichkeit ins Felde geführt worden. Cinar bestätigte, bisher sei das „ein ernst zu nehmendes Argument“ gewesen: viele junge Türken hätten sich „in einem Dilemma“ befunden.

Mit der Erleichterung der Einbürgerung für Deutsch-Türken durch Neuregelungen im deutschen Ausländergesetz sei die Zahl der Betroffenen bundesweit immer mehr angestiegen. Der BETB habe deshalb die türkische Regierung gedrängt, eine neue Regelung zu schaffen. Das Ergebnis dieser Bemühungen sei im vergangenen Jahr ein „etwas unklar formuliertes Gesetz“ gewesen, das nun konkretisiert wurde.

Im einzelnen befreit die Verfügung diejenigen Türken von der Wehrpflicht, die „im Ausland geboren oder vor Erreichen der Volljährigkeit in ein anderes Land eingereist sind (...) und dessen Staatsbürgerschaft bis zur Vollendung des 38. Lebensjahres erlangt haben“, teilte der BETB mit. Auch Türken, die in Deutschland Zivildienst geleistet haben oder „mangels Kapazitäten nicht eingezogen werden konnten“, werden in Zukunft nicht in der türkischen Armee dienen müssen.

Nicht anerkannt wird der im Ausland abgeleistete Wehr- oder Ersatzdienst, wenn ein Türke in dieser Zeit „gegen die innere und äußere, wirtschaftliche und finanzielle Sicherheit der Türkei“ agiert. Cinar bezeichnete diesen Passus als „für unser Demokratieverständnis nicht unbedingt notwendig“. Er hoffe jedoch, daß diese Ausnahmeregelung nicht sehr relevant werde.

Cinar zeigte sich mit der neuen Lage zufrieden: „Alle vorhersagbaren Probleme sind nun gelöst.“ Die türkische Regierung sei mit ihrer Verfügung der Forderung der Bundesregierung, Probleme der doppelten Staatsbürgerschaft zu beseitigen, nachgekommen. „Wir hoffen, daß jetzt in der BRD die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft weitergeht.“

Nach Schätzungen des BETB besitzen in Berlin etwa 10.000 der insgesamt 140.000 TürkInnen die doppelte Staatsbürgerschaft. Etwa 80 Prozent der türkischen Jugendlichen in der Stadt sind Doppelstaatler. Viele von ihnen hatten sich in der Vergangenheit vom Wehrdienst in der Türkei freigekauft: Durch eine Zahlung von 10.000 Mark konnte die Wehrdienstdauer von 15 auf einen Monat reduziert werden. Der BETB schätzt, daß die Türkei mit dieser Bestimmung in den letzten zehn Jahren etwa 350 Millionen Mark verdient hat. Ulrich Jonas