Kali-Vertrag auf den Tisch!

■ Süssmuth besucht Bischofferode / Kritik aus dem Kanzleramt / Warnung vor "Scheingefecht" um Kali-Vertrag

Bischofferode/Bonn (dpa/AFP/ taz) – Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) hat gestern bei einem Besuch in der Nordthüringer Kali-Region Sondershausen die Offenlegung des umstrittenen Kali-Fusionsvertrages gefordert. Wenn im Fall Bischofferode alles so ist, wie von Politik und Treuhand dargestellt, könne auch der Fusionsvertrag auf den Tisch gelegt werden. Süssmuth forderte die Treuhand auf, strittige Fragen des Kali-Fusionsvertrages mit den Bergleuten zu diskutieren. Sie kenne den Text des Vertrages bisher ebensowenig wie der Betriebsrat. Sei sei aber davon überzeugt, daß ein „Höchstmaß an Transparenz“ dazu führen könne, bei den streikenden Bergleuten Vertrauen zu schaffen. Dagegen hat der Thüringer Regierungssprecher Hans Kaiser die Diskussion um die Offenlegung des Vertrags als „Scheingefecht“ bezeichnet. Diese Forderung wecke bei den Bergleuten Hoffnungen, die später „wie Seifenblasen zerplatzen“ würden. Das Bonner Kanzleramt hat die Bundestagspräsidentin wegen ihrer Äußerungen vom Wochenende kritisiert. Süssmuth hatte den Politikern in der Auseinandersetzung um Bischofferode zuwenig Engagement für die von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen vorgeworfen. Der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Anton Pfeiffer, sagte, es dürfe durch kritische Äußerungen wie die der Bundestagspräsidentin nicht der Eindruck entstehen, als ob andere Wege bei der Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze schneller und erfolgreicher hätten sein können. Pfeiffer betonte, der einzig erfolgversprechende Weg zu Verbesserung der Lage auf dem ostdeutschan Arbeitsmarkt sei die Umstrukturiereung und Modernisierung der Wirtschaft. Dies müsse den Menschen in den neuen Ländern immer wieder verdeutlicht werden.

Der Betriebsrat des Kali-Werkes hat das Angebot der Thüringer Landesregierung zu weiteren Gesprächen angenommen. Ein Treffen soll noch in dieser Woche stattfinden, erklärte der Betriebsratssprecher Walter Ertmer. Ministerpräsident Bernhard Vogel hatte angekündigt, er wolle dem Betriebsrat darlegen, wie mit der Entwicklungsgesellschaft Südharz- Kyffhäuser neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten und „offene Fragen“ klären. Zugleich hatte Vogel darauf hingewiesen, die Landesregierung keine weiteren Zugeständnisse machen könne. Der Betriebsrat besteht weiterhin auf der Einzelprivatisierung des Werkes, sagte Ertmer. Die Entwicklungsgesellschaft sei für die Kali-Kumpel kein Thema, solange ihnen keine hieb- und stichfesten Gründe für die geplante Werksschließung zum Jahresende genannt würden.

Rita Süssmuth erhielt bei ihrem Besuch von einer Delegation der Hungerstreikenden eine Einladung zum Internationalen Solidaritätstag am Sonntag in Bischofferode. Die Bundestagspräsidentin sagte, sie sei jederzeit bereit, weiter zwischen den Kali-Kumpeln und der Politik vermitteln, sie wolle jedoch erst wieder nach Bischofferode kommen, wenn sie einen konkreten Vermittlungsauftrag erhalte. Von einem Auftritt vor den Kali-Kumpeln zum Zwecke einer „Polit-Show“ halte sie nichts.