Schrilles Panoptikum

■ Sommertheater: Mißratene Performance „New World (B)order“ von Guillermo Gomez-Pena und Coco Fusco

Der Text „New World (B)order“ von Guillermo Gomez-Pena, Grundlage seiner gleichnamigen, am Dienstag beim Sommertheater aufgeführten Performance, ist eine amüsante Phantasmagorie der Verdrehungen, Vermischungen und Begriffs-Entwertungen. Im dem von Verschwörungstheorien infizierten Geist der amerikanischen Untergrund-Literatur der 80er Jahre entwirft Gomez-Pena eine alptraumhafte Zukunftsvision der amerikanischen Gesellschaft.

Kanada, die USA und Mexiko bilden einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, so der Ausgangsgedanke der „Zukunfts-Chronik“, was zur Folge hat, daß sich ethnische und kulturelle Neuformen entwickeln, die das bestehende rassistische und kulturelle Wertesystem der USA auf den Kopf stellen — allerdings ohne Unterdrückungsmechanismen zu verändern. Der WASP sinkt herab zum Saisonarbeiter in mexikanischen Fast-Food-Restaurants, „Spanglish“ wird die neue Landessprache, der marxistisch-leninistische Fernsehsender ist ein Pornokanal und Kunst wie Pop werden Untergrundbewegung gegen die Allmacht des Cyber-Space.

Kulturelle Wünsche und Ängste fügt der in Mexiko geborene „Borderline-Artist“ zu einer von Neologismen und Absurditäten strotzenden, entfesselten Mythologie der Fehlleitungen zusammen. „Art-Mageddon“ und „Gringostroika“ sind die begrifflichen Leitplanken dieser rasenden sprachlichen Fahrt in Richtung einer entfliehenden demokratischen Zukunft des nordamerikanischen Kontinents.

Doch was sich wie die Tobsucht eines Intellektuellen liest, der hämisch Todernst und Lächerlichkeit verspinnt, verwandelt sich in der Performance leider in ein Panoptikum der Ideen. Starr und wächsern stellt sich Teil neben Teil, abgepackt, museal und kommod wirkt der Versuch, die Apokalyptik der Sprache durch Schrillheit noch zu verstärken. Unter einem gekreuzigten Skelett und umgeben von amerikanischen Folklore- und Kitsch-Utensilien tragen Gomez-Pena und Coco Fusco bunt kostümiert die “Neue Weltordnung“vor.

Die starke Gliederung des Essays nach Kapiteln und Themen führt im Theater allerdings zu Stop-and-Go-Verkehr. Um die einzelnen Szenen dennoch zu verbinden, reichen die theatralischen Mittel der beiden Performer nicht aus. Verkleidungs- und Positionswechsel wirken steif, die akustischen Mäzchen mit den Stimme stammen aus der Steinzeit des Science-Fiction und die Signifikanz der Gegenstände (tote Hühner, Schauma, Sombrero, Ghettoblaster, Leopardenmaske usw.) erschließt sich nicht.

So sprang der Funke bei der Premiere nie auf das Publikum über und die Mitmach-Teile gerannen zur Peinlichkeit. Nur inszeniert auch der empörte Zuschauer, der mit dem Ausruf: „Wenn es euch hier nicht gefällt, dann geht doch zurück.“ den Saal verließ und immerhin andeutete, daß eine präzisere Beschäftigung mit Multikulturalität durchaus Dringlichkeit besitzt.

Till Briegleb

Heute, K1, 19.30 und 22.30 Uhr