Notenbank rubelt Rußland in die Krise

■ Geldumtausch hat das perfekte Chaos produziert / Das Präsidium des Obersten Sowjets verlangt die Rücknahme der Umtausch-Verordnung / Parlament will Ermittlung gegen Präsident Jelzin einleiten

Moskau (AP/taz) – Die Rubel- Reform der Moskauer Notenbank hat gestern eine neue Verfassungskrise in Rußland heraufbeschworen. Zentralbankpräsident Viktor Geraschtschenko lehnte es ab, die Geldschein-Umtausch-Verordnung rückgängig zu machen, wie es das Parlamentspräsidium inzwischen fordert. Formell untersteht die Notenbank der Aufsicht des russischen Parlaments.

Die letzte Entscheidung über das Verfahren, wie die vor 1993 ausgegebenen Banknoten aus dem Verkehr zu ziehen seien, liege allein bei der Zentralbank, sagte Geraschtschenko der Nachrichtenagentur ITAR-TASS. Zuvor hatte das Präsidium des Obersten Sowjets nach Meldungen der Nachrichtenagenturen Interfax und ITAR-TASS beschlossen, die umstrittene Rubel-Verordnung vom Samstag müsse außer Kraft gesetzt werden.

Damit ist das Durcheinander in Moskau perfekt. Niemand weiß, was mit der angefangenen Reform passieren soll. Immerhin haben viele Russen ihre alten Rubel bereits umgetauscht und den Rest auf die vorgeschriebenen Konten gelegt. Etliche Nachbarrepubliken haben ihren Abschied aus der Rubelzone erklärt. Die Rubel-Reform hat die Währungslandschaft verändert, auch wenn sie zurückgenommen werden sollte.

Interfax zufolge will das Parlament eine Untersuchung einleiten, wer für die ganze Aktion verantwortlich ist. Diese Ermittlungen richten sich gegen Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin, Finanzminister Boris Fjodorow und Notenbankpräsident Viktor Geraschtschenko. Wladimir Lisin, Mitglied des Parlaments-Präsidiums sagte, die Verantwortlichen müßten bestraft werden.

Den Abgeordneten liegen laut Lisin Dokumente vor, nach denen Jelzin vorab von der Verordnung unterrichtet war. Jelzin habe auf diesen Dokumenten schriftlich sein Einverständnis erklärt. Doch die Frage ist nicht so sehr, ob Jelzin von der Verordnung gewußt hat, als vielmehr, wieviel ihm gesagt wurde.

Es gibt durchaus gute Gründe dafür, den von der Inflation zunehmend geschwächten Rubel mit einer Währungsreform wieder aufzurichten. Aber sowohl die miserable Vorbereitung als auch die Beschränkung der Reform auf die bloße Einziehung alter Scheine läßt den Verdacht aufkommen, daß hier mit einer kosmetischen Übung eine echte Reform verhindert werden sollte.

Zur Zeit geht es in erster Linie um Schadensbegrenzung. Nach Angaben von Lisin wurden die Kaufhäuser und Geschäfte angewiesen, die für ungültig erklärten Banknoten weiter zu akzeptieren. Der Einzelhandel soll dann dem Präsidiumsbeschluß zufolge die alten Geldscheine bei den Banken eintauschen. Die Banken müssen die alten Rubelnoten dann schrittweise aus dem Verkehr ziehen. Unklar ist allerdings, wieweit sich angesichts der allgemeinen Verunsicherung der Einzelhandel an die neuen Vorschriften halten wird. abe