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Neue Spekulationen an der Hafenstraße

■ Will der Senat noch vor den Wahlen eine Auseinandersetzung riskieren?

Vollendete Vorwahl-Tatsachen an der Hafenstraße? Das befürchtet die Genossenschaft St. Pauli-Hafenstraße, das befürchtet auch der GAL-Bezirksparlamentarier Volker Nienstedt. Gemeint ist nicht die Räumung der bunten Häuser, sondern der Baubeginn auf dem Grundstück gleich nebenan. Ein Grundstück, auf dem die senatseigene Hafenrand GmbH ein Wohnhaus errichten möchte, für das die im April gegründete Genossenschaft, in der sich 340 St. Paulianer zusammengeschlossen haben, ganz andere Vorstellungen hat. Ein Stadtteilzentrum soll her – Wohnungen, Kita, Kneipe, Versammlungsraum.

Senatschef Voscherau, so die gestern vorgetragene Vermutung des Genossenschaftsvorstands, wolle noch der Bürgerschaftswahl Stärke demonstrieren, in dem mit dem Bau der Sozialwohnungen begonnen werde. Der Bürgermeister habe den Bezirk Mitte angewiesen, eine sogenannte Vorabgenehmigung zu erteilen. Sie würde den Baubeginn ermöglichen, obwohl die Bürgerschaft dem entsprechenden Bebauungsplan bisher noch nicht zugestimmt hat.

Für diese Vermutung spricht zweierlei: Erstens geht auch Hafenrand-GmbH-Chef Wolfgang Dierksen davon aus, daß ihm die Vorabgenehmigung „Ende August“ vorliegt. Allerdings kann er sich offiziell nicht vorstellen, noch vor der Wahl mit dem Bau zu beginnen. „Eher im November“, falls es die politischen Mehrheitsverhältnisse dann noch zuließen.

Zweitens wurde der Bauantrag der Hafenrand GmbH im Bauausschuß des Bezirks Mitte unter merkwürdigen Umständen voreilig verabschiedet. So sieht es jedenfalls der GAL-Bezirksabgeordnete Volker Nienstedt. So sei die Vorabgenehmigung vom Ausschuß abgesegnet worden, obwohl Dierksens Baupläne von den Vorgaben des Bebauungsplanes des Senats abwichen. Ist dies der Fall, wäre die Vorabgenehmigung rechtlich unzulässig. Nienstedt hat inzwischen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Bauprüfabteilung des Bezirks Mitte erhoben, der den Dierksen-Plan vor dem Bauausschuß als bebaungsplangemäß bezeichnet hatte.

Gegen die Version der Genossenschaft und Nienstedts spricht dagegen ein Senats-Intimus. Die SPD samt Voscherau täte derzeit alles, um das Thema Hafenstraße aus dem Wahlkampf herauszuhalten, ein früher Baubeginn werde keinesfalls angestrebt.

Warum eigentlich nicht? Unser Vorschlag: Schneller Baubeginn nach den Plänen der Genossenschaft Hafenstraße. Denn die Eckpunkte dieser Pläne - innerstädtische Verdichtung, Aufhebung der Trennung von Wohnen, Arbeit und Freizeit entsprechen voll und ganz sozialdemokratischen Zielsetzungen. uex

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