Strahlenchef wieder im Dienst

■ Senator Hajen hob Beurlaubung auf / Zahl der geschädigten UKE-Patienten weiter gestiegen / Rücktrittsforderungen an Hajen   Von Sannah Koch

Neue Nachrichten aus dem UKE. Die Gute vorweg: Nach Ansicht auswärtiger Gutachter können sich Krebspatienten derzeit beruhigt zur Strahlenbehandlung ins UKE begeben. Die Dosierungen, so stellten drei Experten nach einer zweitägigen Prüfung am Wochenanfang fest, bewege sich in international üblicher Bandbreite und auch die Bestrahlungstechniken seien einwandfrei.

Die schlechte Nachricht: Wissenschaftsenator Leonhard Hajen (SPD) und der ärztliche Leiter des UKE, Heinz-Peter Leichtweiß, scheinen wildentschlossen, daß Chaos in der Radiologischen Abteilung auf die Spitze zu treiben: Sie erklärten gestern vor der Presse, daß die Suspendierung von Chefarzt Klaus-Henning Hübener wieder aufgehoben wurde.

Die Begutachtung hätte die Unsicherheiten bezüglich der aktuellen Situation beseitigt, so der Senator. Insoweit gebe es keinen Grund, „das auf diesen Punkt gegründete Verbot der Ausübung der Dienstgeschäfte für Hübener fortzusetzen“. Eine konfuse Erklärung: War Hübeners Suspendierung doch nach dem unmißverständlichen Befund der Deutschen Röntgengesellschaft erfolgt, die seine Therapie in den Jahren 1987 bis 1990 als „unkonventionell“ kritisiert hatte.

Wiedersprüchlich auch Hajens und Leichtweiß' Erklärungen über die am Dienstag von der UKE-Leitung ausgesprochene, am Mittwoch vom Senator wieder aufgehobene Beurlaubung des Oberarztes Wulf-Peter Brockmann. Leichtweiß betonte, daß Brockmann, obschon damals noch nicht Oberarzt, dennoch stärker verantwortlich gewesen sei als die anderen Ärzte der Abteilung. Deswegen habe man ihn suspendiert.

Hajen ließ jedoch durchblicken, daß er offenbar von der UKE-Leitung nicht gut beraten worden ist. „Ich war im Irrtum mit meinem Einverständis“, erklärte er unmißverständlich. Brockmann könne nicht als „deutlich differenzierbar verantwortlicher“ im Vergleich zu den beiden Abteilungsärzten bezeichnet werden, die schon damals dort gearbeitete hätten und dies auch heute tun. Einer der beiden wurde jetzt sogar vorübergehend mit der Leitung betraut, denn Chefarzt Hübener hat erstmal freiwillig seinen Jahresurlaub genommen.

Korrigieren mußten Hajen und Leichtweiß auch die Zahl der geschädigten Patienten. Inzwischen seien 34 Darmkrebspatienten aktenkundig, die an schweren bis schwersten Strahlenschäden leiden. Denn mittlerweile sind auch Fälle aus 1986 und bis Mitte 1990 aufgetaucht. 46 Betroffene haben bei der Wissenschaftsbehörde Anträge auf Überprüfung ihrer Behandlung gestellt. Nach derzeitigem Kenntnisstand, so Leonhard Hajen, seien sieben Patienten gestorben.

„Was ich gelernt habe“, so Hajen, „ist, daß es schwere Mängel in der Qualitätskontrolle bei der Strahlenbehandlung gibt“. Die Nachsorge müsse strikt verbessert und die Beratung der Ärzte untereinander gestärkt werden. Hajen sagte zu, daß die Regulierung von Schadensersatzansprüchen zügig durch ein Rechtsanwaltsbüro vorgenommen werde, wenn durch die austehenden Gutachten in der kommenden Woche die Vorwürfe bekräftigt würden.

Ein Gutachten von Professor Klaus Rüdiger Trott, das der Patientenanwalt Wilhelm Funke gestern vorlegte, kommt zu dem Schluß, daß die Strahlenbehandlungen von Chefarzt Hübener um „bis zu 40 Prozent überdosiert“ waren. Die Kombination aus der Behandlung vor und nach der Operation sowie die Verabreichung einer „zu hohen Dosis in zu kurzer Zeit“ habe zu den Schädigungen bei den Patienten geführt. Trott, der als international anerkannter Strahlenarzt in London arbeitet, wies darauf hin, daß bereits 1987 „das Standardwerk“ zu der von der Hübener angewandten Methode vorlag. Hübener hätte die darin beschriebene Kritik an diesem Verfahren kennen müssen.

Ginge es nach dem Willen einiger SPD-Genossen aus Wandsbek und Eppendorf, ist Hajen bald nicht mehr Senator und auch Leichtweiß arbeitslos. Sie forderten Hajen gestern in einem offenen Brief auf, im „Interesse der Schadensbegrenzung sofort zurückzutreten“. Dieser Forderung schloß sich auch die Patienteninitiative an.