„I Dummbeutel, i Dummbeutel“

Ein Seminar der „Franz-Beckenbauer-Rhetorik-Stiftung“, bei dem Spitzensportlern das geschliffene Wort nahegebracht werden sollte, belauscht  ■ von Matthias Kittmann

Berlin (taz) – Der Deutsche Sportbund (DSB) hat versagt. Seit Jahren läßt er Sportler hilflos ins scharfe Messer der Sportjournalisten laufen. Schutzlos werden arglose Athleten zum Gespött gemacht. Das Ergebnis sind olympische Weinkrämpfe (Dagmar Hase), ausländerfeindliche Abiturienten (Michael Stich), verbitterte Torhüter (Raimond Aumann), disziplinarische Maßnahmen bei der Bundeswehr (Georg Hackl) und ehrliche, aber entlassene Trainer (Jörg Berger). Eine private Initiative will Abhilfe schaffen. Veranstalter dieser beruflichen Weiterbildung ist die „Franz-Beckenbauer-Rhetorik-Stiftung“, dessen Schirmherr zu den großen Experten auf diesem Gebiet zählt.

Das erste Fachseminar stand unter dem Motto: „Der Spitzensportler im Spiegel des öffentlichen Medieninteresses – Wege aus der kommunikativen Eindimensionalität“. Als Dozenten konnte die Stiftung drei bekannte Fachleute gewinnen: Lothar „Lo-Lo“ Matthäus (Argumentierer, Schallplatte, Pressesprecher), Michael „2000“ Groß (Kolumnist und Botschafter) und Altmeister Udo „Schlucko“ Lattek (Leitartikler und Pulloverträger). Die lernwilligen Teilnehmer waren: D. Hase, M. Stich, R. Aumann, G. Hackl und J. Berger.

Matthäus: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen, liebe Freunde und Freundinnen, geschätzte Sommer- und Wintersportler und Sportlerinnen, verehrte Jörg Ber...

Groß: ... Danke, Lothar. Wir beginnen mit einer Vorstellungsrunde ...

Lattek: ... Runde? Ich nehme 'nen Jack Daniels pur, ohne Eis ...

Groß: ... um dann auf die individuellen Probleme einzugehen. Gegebenenfalls schließen wir eine Supervision an ...

Hackl: ... oh supper, Suppervision is' supper. Besser als Eurovision.

Aumann: Ja, gut ...

Berger: Aber wir müssen ährlische Orbeit leisten ...

Stich: ... die roten Haare von der Hase erinnern mich an einen Tennisspieler ...

Hase: ... gleich muß ich weinen ...

Lattek: ... jetzt fällt's mir wieder ein. Das ist doch die Heulsuse von Barcelona. Noch einen Jack Daniels, aber einen doppelten!

Hase: Udo, du bist gemein ... (bricht in Tränen aus)

Matthäus: Aber, aber, wir können doch über alles reden. Als damals der Drabbadoni ...

Lattek: ... à propos, da fällt mir ein guter Witz ein. Wer war der erste deutsche Spieler in Asien? ... Lodar Maddhäus bei „Inder“ Mailand, hohoho ...

Groß: Ja, nett, danke, Udo. Also Schorsch, was ist dein Problem?

Hackl: Jo mei, i hob gar kein Problem. I hob halt herkomma miassa, weng der Bundeswehr. Warum, waas i net. Oaber hier is an Brief vom Kommandeur ... (reicht den Brief zu Groß, der liest halblaut vor): ... „gegen Feldwebel Hackl wird ein Disziplinarverfahren wg. wehrkraftzersetzender Werbespots eingeleitet ...“ (unterbricht) äh, ja, das gehört jetzt nicht hierher. Gehen wir mal weiter zu Raimond.

Aumann: Ja, gut ...

Lattek: ... Fliegenfänger ...

Aumann: Was hat der Udo gesagt? Ich bin genauso gut wie der Illgner und der Köpke. Ich warte nur auf den Anruf von Berti.

Lattek: Du hast doch gar kein Telefon ...

Aumann (springt auf): Was hat er gesagt? Was hat er gesagt?

Matthäus: Raimond, setz dich! (Aumann setzt sich beleidigt)

Groß: Also weiter in der Runde ...

Lattek: Noch 'nen dreifachen Jack Daniels, ach was, gib mir gleich die ganze Flasche!

Groß: Wie ich schon in meiner Magisterarbeit „Lessing als Publizist“ schrieb ...

Matthäus: So, Michi, jetzt bist du dran (Michael Stich stiert schon die ganze Zeit vor sich hin, nur unterbrochen von imaginärem Ballauftippen). Wie geht's denn eigentlich dem Boris?

Stich (hebt ruckartig den Kopf): Boris war gut, ich war schlecht, Boris war gut, ich war schlecht, Boris ...

Groß: ... ja, ja, Michi, ist ja gut. Dein Playboy-Interview ist übrigens ein gutes Fallbeispiel, wie schnell man sich in kürzester Zeit seine Sympathien verscherz...

Lattek (aus einem kurzen Nickerchen aufgewacht): Scherz? Da fällt mir ...

Groß: Danke, Udo.

Berger: Isch bin noch garnüscht dran gewesen. Dabei leiste isch immer ährlische Orbeit ...

Matthäus: Das ist eben dein Problem. Du bist zu ehrlich. Es reicht nicht, daß du fit bist ...

Lattek: ... Fiddich? Gibt's auch Glen Fiddich?

Berger: ... aber wer misch kennt, der weiß ...

Matthäus: Eben. Du bist zu leicht auszurechnen ...

Lattek: Im Rechnen macht mir keiner was vor. Mein blauer Pullover war 15 Spiele ungeschlagen!

Aumann: Ich schlag dem gleich ...

Matthäus: Raimond, setz dich! (Aumann setzt sich)

Groß: Einen vierfachen Jack Daniels für Udo!

Hase: Hat jemand 'ne Packung Papiertaschentücher für mich?

Hackl: Dös mit dem Asiatenwitz vom Udo hob i net kapiert ...

Aumann: Ja, gut ... das geht so ...

Matthäus (schon leicht grantig): Raimond, sitz! (Aumann sitzt)

Lattek: ... Fliegenfänger ...

Da geht die Tür auf und herein kommen ein Feldjäger, Dragoslav Stepanovic, Franziska van Almsick, Uli Stein, Boris Becker und rufen im Chor: „Überraschung!“

Aumann springt mit einem erstickten Schrei dem unter dem Tisch gerutschten Lattek an die Gurgel, Jörg Berger hat die Hände gefaltet und murmelt: „... dabei hab ich immer ein gutes Verhältnis zum Vorstand, dem Manager und den Spielern gehabt ...“ Michael Stich verbirgt wimmernd sein Haupt in Dagmar Hases Schoß, die vor Überraschung aufgehört hat zu heulen, während Georg Hackl die Stirn auf die Tischplatte hämmert und schreit: „I Dummbeutel, i Dummbeutel!“ Lothar Matthäus stammelt fassungslos: „Ich geh zurück zu Inder Mailand.“ Nur Michael Groß reibt sich die Hände: „Jetzt werde ich bestimmt Redakteur bei Bild.