Dann bin ich gegen Umweltschutz!

■ betr.: "Windiger Protest" von Franz Alt (Ökolumne), taz vom 10.7.93

betr.: „Windiger Protest“ von Franz Alt (Ökolumne),

taz vom 10.7.93

[...] Würde man/frau Alts Logik in Konsequenz folgen, wäre es am besten, auf der Hornigsrinde ein AKW zu bauen. Wieviel CO2 würde das einsparen und wie viele Familien versorgen?

Natürlich läuft Alt bei mir offene Türen ein, wenn er sagt, die Falken im Schwarzwald brauchen auch Klimaschutz und die regenerativen Energiequellen sind verstärkt einzuführen. Aber globales Denken darf nicht hinter dem globalen Klima haltmachen und schon gar nicht zu globalen Pauschalierungen verkommen. Wer Naturschützer sein will, muß bei jedem geplanten Bauwerk, egal ob es sich hierbei um eine Straße oder eine Windmühle handelt, die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen.

Im Fall der Hornigsrinde mag Alt recht haben, aber seine Allgemeinplätze degradieren alle lokalen Naturschutzgruppen, die das Klimaproblem ja auch kennen, zu kleinen Dummerchen. Im allgemeinen kann niemand die jeweilige Situation besser beurteilen als die Leute vor Ort und nicht irgendwelche Besserwisser, die mal schnell mit dem Bus vorbeifahren. Matthias Honka, Freiburg

[...]Daß der Beitrag der Wind- und auch der Wasserenergie zur Primärenergieerzeugung (zusammen bundesweit rund 1,5 Prozent) vernachlässigenswert ist, darauf kommt ein Herr Alt natürlich nicht. Er will eben nicht offen sagen, daß unser Lebensstandard global unverantwortlich ist, und wer das nicht will, der landet beim technischen Umweltschutz.

Das Dilemma, dem sich sowohl Natur- als auch Umweltschützer stellen müssen ist, daß es derzeit überhaupt keine Aussichten gibt, daß Maßnahmen politisch durchsetzbar würden, die in relevanten Größenordnungen unseren Energieverbrauch runterfahren. [...]

Zudem fördert er eine in jüngster Zeit immer deutlichere Tendenz: Die echten Naturschützer fragen sich zunehmend, ob ihre Allianz mit dem seit 20 Jahren modischen Umwelt- (= Menschen)schutz nicht mehr Verlust als Gewinn gebracht hat. Denn die Rechnung, daß im Gesamtpaket „Umweltschutz“ auch Naturschutz gesellschaftlicher Konsens werden könnte, ist nicht aufgegangen. Begleitet von inflationärem Umweltgeschwätz à la Gauweiler, Fischer und Alt geht die Zerstörung ungebremst weiter.

Nun, wenn man ohnehin die Zerstörung nicht aufhalten kann, dann ist es irrational, sich in eine Gesamtverantwortung einbinden zu lassen, die im System organisierter Unverantwortlichkeit keiner hat, dann muß es eine Wiederauferstehung des St.-Florians-Prinzips geben und eine klare Trennung von der Fiktion des umfassenden Umweltschutzes: Wie sagte neulich ein Kollege? „Umweltschutz ist es, den Rheinfall von Schaffhausen in die Röhre zu stecken, Naturschutz ihn weiter nutzlos herunterdonnern zu lassen.“ Nun, dann bin ich gegen Umweltschutz! Reinhard Falter, Arbeitsgemeinschaft Fließgewässerschutz in Bayern, München

[...] Obwohl die Windenergie als schadstoffarme, regenerative Energiequelle aus Umweltsicht zu begrüßen ist, gilt auch bei diesen Anlagen das Naturschutzgesetz, wonach Eingriffe in Natur und Landschaft möglichst zu vermeiden sind und das Landschaftsbild – falls nicht möglich – durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder aber Ausgleichszahlungen zu kompensieren sind. Ein Eingriff stellt die Errichtung von Windenergieanlagen in der Regel dar, zumindest was das Landschaftsbild angeht. Im Fall Hornigsrinde handelt es sich um einen sehr exponierten Standort, und zudem sind seltene Tierarten betroffen, für deren Fortbestand wir Menschen besondere Verantwortung tragen. [...]

Wenn Herr Alt darauf hinweist, daß die hier heimischen, in der gesamten BRD vom Aussterben bedrohten Wanderfalken bei dem Bau der Windkraftanlagen nur 100 Meter tiefer brüten müßten, grenzt das an Satire. Es darf bezweifelt werden, ob die Wanderfalken dem frommen Wunsch des Herrn Alt folgen werden und sich ein neues Quartier in der Umgebung suchen. Kann auch sein, daß dieser Brutplatz verlorengeht.

Das Problem mit Windenergieanlagen ist denn auch nicht in erster Linie der direkte Vogelschlag, wie Franz Alt unterstellt, sondern der Vertreibungseffekt für störempfindliche Vogelarten und die Beeinträchtigung der Schönheit des gewachsenen Landschaftsbildes – letzteres ist sicher stark individuellen Sichtweisen unterworfen. Der Vergleich mit schon bestehenden Sendeeinrichtungen des Militärs auf der Hornigsrinde hinkt: Diese stehen still. Windräder sollen dies gerade nicht tun, oder? Bewegte Silhouetten wirken auf die Vogelwelt nun einmal anders.

Die 80.000 DM für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Verbesserung von Natur und Landschaft dürften denn auch wohl nicht in erster Linie für die Versiegelung des Bodens, sondern vielmehr für den Eingriff in das Landschaftsbild und die Vertreibung der dort vorkommenden Tierarten zu zahlen sein. Vielleicht gelingt es, mit diesem Geld an anderer Stelle ein potentielles Wanderfalkenbrutgebiet zu beruhigen.

[...] Die Zulassung von Windenergieanlagen an jedem Ort kann sehr schnell zur Folge haben, daß die wenigen noch verbliebenen großflächigen und störungsfreien Gebiete in der BRD, insbesondere entlang der Küste mit Windmühlen zugepflastert werden. Für störempfindliche Vogelarten gehen so wichtige Brutplätze verloren. Im Einzelfall kommt es auch zu Barrierewirkungen, die den Austausch zwischen zwei Gebieten stark einschränken können und zum Beispiel Brutplatz und Nahrungsgebiet trennen. Das Ganze, um rund fünf, maximal acht bis zehn Prozent des Energieverbrauchs der BRD durch Wind abdecken zu können.

Um nicht mißverstanden zu werden: Jedes Prozent regenerativer Energie ist sinnvoll – aber eben nicht um jeden Preis. Sinnvoller als der Bau von Windenergieanlagen auf freier Flur scheint mir die Anbindung an bestehende Siedlungsstrukturen – hier werden Störungszentren nicht vermehrt. Nur wehren sich dagegen vielfach die Anwohner (Lärmbelästigung). Menschen jedoch sollten eher überzeugt werden können als Wildtiere; schließlich verbrauchen sie die Energie ja auch. Hans-Joachim Janßen,

Varel-Neudorf