Ein bißchen wie Bogart in Casablanca

■ Genfer Bosnien-Verhandlungen fortgesetzt / Izetbegović ging gestärkt aus den Angriffen der letzten Wochen hervor

Genf (taz) – Im Aufzug des Genfer Hotels „President“ stand am Donnerstag abend ein müder Alija Izetbegović. Abgekämpft nach zwei harten Verhandlungstagen und über 14 Montaten Krieg in seiner Heimat blieb der Präsident der international anerkannten Republik Bosnien-Herzegowina stehen, als die Tür zur Hotelhalle sich öffnete. Vergeblich drängten sein Sohn und seine Leibwächter den 68jährigen zum Konferenzraum des Hotels, wo die vollzählig versammelte Delegation des bosnischen Staatspräsidiums sowie zahlreiche bosnische Oppositions- und Regionalpolitiker warteten. Izetbegović konnte, wollte einfach nicht mehr und fuhr schließlich wieder auf sein Zimmer. Die am Mittwoch abend um 22 Uhr angesetzte Sitzung zur Festlegung der Verhandlungsstrategie für den nächsten Tag mußte erneut verschoben werden.

Die Delegationsmitglieder und ihre Berater, Diplomaten islamischer Staaten und Journalisten verzogen sich in die Hotelbar. Hinzu kamen die ständig in Genf herumlungernden Waffenhändler, die aus dem verzweifelten Überlebenskampf der bosnischen Muslime Profit schlagen wollen. Bald wurde an sämtlichen Tischen im bunten Sprachengewirr die Lage auf dem bosnischen Schlachtfeld und am Genfer Verhandlungstisch diskutiert, wurden Pläne geschmiedet und Geschäfte angebahnt. Die Szene erinnerte an Humphrey Bogarts berühmten Film „Casablanca“.

Gegen Mitternacht begann dann doch noch die Sitzung – mit Izetbegović. Bis kurz vor drei kam es hinter den verschlossenen Türen zu zeitweise heftigen, lautstarken Kontroversen, vor allem mit Bosniens kroatischem Premierminister Mile Akmadžić sowie den anderen beiden kroatischen Mitgliedern des zehnköpfigen Staatspräsidiums. Sie drängen zu größerer Kompromißbereitschaft gegenüber dem von Radovan Karadžićs Serben und Mate Bobans Kroaten vorgelegten Dreiteilungsplan – und damit praktisch zur Aufgabe des Föderationsvorschlages des Staatspräsidiums. Izetbegović selbst hatte den bosnischen Vorschlag noch am Montag abend eingebracht.

„Du mußt dich endlich entscheiden, ob du zum Staatspräsidium gehörst oder die Interessen Bobans vertrittst“, forderte der muslimische Bürgermeister von Tuzla den Premierminister wütend auf. Tatsächlich hatte Akmadžić noch bis zum März der Verhandlungsdelegation Bobans angehört, zu dem er weiterhin beste Verbindungen hat. Ebenso enge Kontakte werden dem Premier zu Kroatiens Präsident Franjo Tudjman nachgesagt. Ähnlich heftig gerieten sich der Premierminister und die anwesenden Vertreter der muslimischen Bevölkerung des serbischen Sandschak in die Haare. Akmadžić hatte einen Austausch der muslimischen Bevölkerung Ostbosniens mit den Serben von Sarajevo, den Serbenführer Karadžić vorgeschlagen hatte, zumindest nicht abgelehnt.

Von den kroatischen Präsidiumsmitgliedern abgesehen aber standen am Donnerstag alle Anwesenden trotz des massiven Drucks und der zahlreichen Spaltungsversuche der letzten Wochen hinter Izetbegović und dem Föderationsvorschlag. Mitte Juni hatten die Vermittler Owen und Stoltenberg den Muslim Fikret Abdić massiv gedrängt, Izetbegović zu entmachten. Dies wurde in der Nacht zum Donnerstag von einem engen Vertrauten Abdićs gegenüber der taz bestätigt. Doch die massiven Nötigungen durch Owen und Stoltenberg und das Gefühl, von der ganzen Welt im Stich gelassen worden zu sein, haben die noch vor kurzem in Frage gestellte Präsidiumsmehrheit für Izetbegović eher wieder konsolidiert.

Abseits dessen wurde hinter den Kulissen der offiziellen Genfer Verhandlungsrunden erneut versucht, die muslimisch-kroatische Allianz wieder herzustellen. Das Bündnis war in den letzten Montaten aufgrund kroatischer Angriffe auf Stellungen der legalen bosnischen Armee zerbrochen. Dem kroatischen Präsidenten Tudjman und der Regierung in Zagreb – so hieß es übereinstimmend von Vertretern der bosnischen Regierungsdelegation, aber auch von türkischen oder deutschen Diplomaten – müsse nun endlich klargemacht werden, daß er mit einer Unterstützung des Dreiteilungsplans für Bosnien- Herzegowina zugleich den Untergang Kroatiens besiegelt. Doch höre der Präsident noch immer zu sehr auf Mate Boban, den Kommandanten der westherzegowinischen Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ (HVO) u.a. schlechte Berater“. Andreas Zumach