Kriegsschauplatz Nobelhotel

In der „Schlammschlacht“ zwischen VW und General Motors/Opel ertönen jetzt auch nationalistische Töne / Opel legt Verkaufszahlenvergleich vor  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Hans Wilhelm Gäb, Vizepräsident von General Motors-Europe, zog gestern im noblen Frankfurter Arabella Grand Hotel cool vom Leder. Am Vortag hatte sich der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen (VW), Ferdinand Piäch, den Spiegelsaal des Wolfsburger Kongreßparks zur Plattform für seine verbalen Rundumschläge gegen den Konkurrenten General Motors (GM)/Opel gewählt. Die „Schlammschlacht“ (Piäch) zwischen den Atomobilgiganten aus Wolfsburg und Rüsselsheim findet inzwischen auf Pressekonferenzen in gediegenem Ambiente statt: „Autokrieg brutal“ (Bild) – bei Echtlachshäppchen und Moet Chandon für die meinungsbildenden Wirtschaftsjournalisten der „Flagschiffklasse“.

Landserjargon war vorgestern in Wolfsburg angesagt. VW werde den „Krieg gewinnen“, sagte Feldherr Piäch mit zusammengekniffenen Augen. Doch die „Schlammschlacht“ um Marktanteile und ums Firmenimage hat er verloren, denn GM/Opel lieferte gestern kühle Fakten – und verzichtete (fast) vollständig auf Vergeltungsschläge. Im „internationalen Wirtschaftskrieg“ (Piäch) geht es noch immer um den Vorwurf der „potentiellen Industriespionage“ (Gäb) vor allem an die Adresse von Jose Ignacio López (52). Der Baske und Ex-Chefeinkäufer soll bei seinem überraschenden Wechsel von GM zu VW im März 1993 – zusammen mit anderen abgeworbenen Topmanagern – geheime Unterlagen seines alten Brotherren aus Rüsselsheim kiloweise mit nach Wolfsburg genommen haben. Weil die Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung einer Privatwohnung eines verdächtigen „Industriespions“ in Wiesbaden vier Kisten mit „streng geheimen Papieren“ (Gäb) von Opel gefunden hat, sehen sich Vorstand und Aufsichtsrat von GM/Opel in ihrem Verdacht bestätigt.

Dennoch verzichteten die Rüsselsheimer gestern darauf, die „Herabwürdigung der unternehmerischen Leistungen von Opel“ durch den VW-Vorstandsvorsitzenden auf dem gleichen „niedrigen Niveau“ (Gäb) zu kontern. Hans W. Gäb und Horst P. Borghs vom Vorstand der Adam Opel AG gaben gar eine „Ehrenerklärung“ für die MitarbeiterInnen der Volkswagen AG ab, die in der Vergangenheit „ausgezeichnete Arbeit“ geleistet hätten.

Doch Piäch sei mittlerweile zu einer „Belastung für das Ansehen von Deutschland in der Welt“ geworden, so Gäb. Mit dem Vorwurf, der US-amerikanische GM-Konzern wolle mit seinem „Rachefeldzug“ gegen VW den europäischen Automobilmarkt aufmischen, habe der Österreicher Piäch in seinem Gastland „nationale Stimmungen“ mobilisieren wollen, die zu Lasten der deutschen Industrie gingen. Daß sich GM/Opel gerade in Deutschland außerordentlich engagiere, belege das neue Opelwerk in Eisenach. Gäb: „Opel sichert in Deutschland insgesamt rund 400.000 Arbeitsplätze.“ Und weil Piäch vorgestern erklärt hatte, daß es VW nicht nötig habe, auf unlautere Art „geistige Anleihen bei der Nummer 4 in Europa“ zu machen, legten Gäb und Borghs gestern die von der europäischen Automobilindustrie eruierten Verkaufszahlen fürs erste Halbjahr 1993 offen: Danach wurden in Europa 753.000 Opel (GM) und Vauxhall (GM) verkauft – aber nur 705.000 PKW mit dem VW- Zeichen am Kühlergrill. Und Opels Rentabilität, so Gäb stolz, habe schon immer „um ein Vielfaches höher gelegen“ als bei VW. Und dann wurde Gäb doch noch giftig: „VW hat in diesem Jahr noch kein neues Modell auf den Markt gebracht. Ich empfehle Herrn Piäch deshalb eine Probefahrt im neuen – Astra-Cabrio.“

Die „Schlammschlacht“ zwischen Opel und VW wird also weitergehen – und die Staatsanwaltschaften in Darmstadt und seit gestern auch in Hamburg ermitteln weiter. Falls vor Gericht tatsächlich Anklage gegen VW-Super- Vorstandsmitglied López und andere Ex-Opelaner erhoben werden sollte, behält sich GM/Opel eine Schadenersatzklage gegen VW vor.

Der Kampf der Giganten ist mittlerweile zum Politikum geworden. Während sich Niedersachsens Regierungschef Schröder (SPD) noch Ende Mai VW als „Zielscheibe einer Kampagne der ausländischen Konkurrenz“ ausgemacht hatte, forderte der Staatssekretär im Bonner Wirtschaftsministerium, Göhner, zu einer „sachlicheren Form der Auseinandersetzung“ zurückzufinden. Das Enfant terrible selbst denkt nicht an Rücktritt. Er habe bei VW eine „Mission“ zu erfüllen, erklärte López gestern: „Ich werde den VW-Konzern zum erfolgreichsten Unternehmen der Welt machen.“ Basta!