: Spionageabwehr auf bayerisch
Eine Anfrage der Grünen offenbart Liaison zwischen blau-weißen Verfassungsschützern und einem Waffenhändler / Geheimdienst inszenierte „Spielmaterial“-Lieferungen gen Prag ■ Von Thomas Scheuer
Die Lieferung sensibler Embargo-Elektronik und geheimer Unterlagen an einen östlichen Geheimdienst oder die Vermittlung von ein paar tausend Granaten in ein Spannungsgebiet sind nach bundesdeutschem Recht verboten. In gewissen Fällen zeitigen jedoch Verstöße für den Drahtzieher keinerlei Konsequenzen: Dann nämlich, wenn dieser seinen Geschäften unter dem Schutz des Verfassungsschutzes nachgeht. Ein plastisches Beispiel für solche Kungelei zwischen Geheimdiensten und dubiosen Geschäftsleuten förderte jetzt eine Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag zutage. In seiner Antwort billigt Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) ausdrücklich die Zusammenarbeit seiner Verfassungsschützer mit dem oberpfälzischen Waffenhändler Manfred Eder.
Der 42jährige Eder hatte sich im September letzten Jahres gegenüber der Illustrierten Bunte als Waffenhändler und Gelegenheitsagent geoutet und über seine Geschäfte geplaudert: Mit Erfolg habe er seit 1987 über seine Firma „World Management“ ausländischen Diplomaten seine Dienste angeboten. So habe er im Mai 1989 gegen Provision ein Geschäft über 40.000 Sprenggranaten zwischen der griechischen Rüstungsfirma „Greek Powder & Cartridge Company“ und dem Militärattaché der sudanesischen Botschaft in Bonn, Faisal Mohamed Sinada, vermittelt. Der Sudan galt schon damals als Spannungsgebiet. Im April 1989 lieferte Eder dann nach eigenen Aussagen Kampfmittelbeseitigungsgeräte in den Irak – nach Absprache mit dem israelischen Geheimdienst Mossad, der Eders Dienste prompt mit einem Informationshonorar belohnte.
„Ständig informiert“ über alle seine Umtriebe, so beteuert Eder in einer eidesstattlichen Erklärung, war das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. Er habe es stets auf dem laufenden gehalten, bisweilen sei er gar erst „auf Bitten“ der Beamten tätig geworden – natürlich gegen Bares. Vor allem die illegalen Ostgeschäfte seien unter der Regie der Verfassungsschützer abgelaufen: Im Juni 1988 erhielten „tschechische Regierungsvertreter“, wie Eder seine Geheimdienstkunden aus Prag nennt, einen Digitaloszillographen, ein High-Tech-Gerät, das auch in der Rüstungstechnik gebraucht wird. In der Folge schmuggelte V-Mann Eder mehrfach Verschlußsachen über den Panzer Leopard II nach Prag. Das Material war jeweils vom Verfassungsschutz geprüft und unter dessen Aufsicht fotokopiert worden.
Auf eine parlamentarische Anfrage des grünen Fraktionssprechers Bayerns, Manfred Fleischer, bestätigte Innenminister Beckstein diese Woche die seltsamen Kontakte des Waffenschiebers mit den Verfassungsschützern. Beckstein rechtfertigt sie mit dem „Ziel, im Rahmen der Spionageabwehr Informationen über das Interesse gegnerischer Nachrichtendienste an Embargo-Gütern zu erlangen.“ Bei derlei Operationen müsse von Agenten gelegentlich auch sogenanntes „Spielmaterial“ übermittelt werden. Waffen seien in den vorliegenden Fällen nicht geliefert worden.
Auch das Landeskriminalamt in München mochte keine Verstöße gegen die Exportbestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder des Außenwirtschaftsgesetzes ausmachen. Und so kommt der Minister zu dem Befund, die dubiose Liaison der Schlapphüte mit dem Waffendealer sei rechtlich nicht zu beanstanden, sprich: „Für Konsequenzen besteht kein Anlaß.“ Der Verfassungsschutz, der laut Gesetz nur im Inland tätig werden darf, habe sich auch nicht in die Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) gemischt, da es ja um die Spionageabwehr gegangen sei.
Gleichzeitig qualifiziert Beckstein den Eder-Bericht der Bunten als „weitgehend falsch“. „Genauere Informationen über Art und Umfang der Verbindungen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu Herrn Eder müssen weiterhin der Geheimhaltung unterliegen, da ihre Veröffentlichung Arbeitsmethoden des Landesamtes offenbaren würde“, teilte er dem Abgeordneten Fleischer mit. Die Grünen ziehen jedoch aus Becksteins Antwort die Konsequenz, die Geschichten des Ex- V-Mannes Eder seien „im Kern tatsächlich wahr“ und keine „Räuperpistolen“. Schließlich gestehe Beckstein ein, daß seine Verfassungsschützer über die illegalen Geschäfte unterrichtet waren und diese billigten. Fleischer: „Da wurden Waffengeschäfte geduldet, sicherheitsrelevante Unterlagen illegal beschafft und an gegnerische Dienste herausgegeben, was bei jedem normalen Staatsbürger rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.“
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