Bosnien: Waffenstillstand Nummer 25 vereinbart

■ Bosnier beharren auf eigenem Friedensvorschlag /Owen und Stoltenberg zu Einlenken bei nicht-ethnischer Konföderation bereit?

Genf (taz) – Gestern mittag erteilten Bosniens muslimischer Präsident Izetbegović, Serbenführer Karadžić und Kroatenchef Mate Boban ihren militärischen Oberbefehlshabern den Befehl zu einem „umfassenden Waffenstillstand“. Zwecks Umsetzung dieser Anordnung sollen die drei Oberkommendierenden unter Schirmherrschaft der UNPROFOR- Truppen in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo zusammentreffen. Die Vereinbarung sieht für die Dauer der Genfer Bosnien-Verhandlungen tägliche Treffen der Oberkommandierenden vor, auf denen Waffenstillstandsverstöße behandelt werden sollen. Dort sollen die Kommandeure der bosnischen Kriegsparteien eventuelle Veränderungen im militärischen Abkommen des ursprünglichen Vance-Owen-Plans diskutieren. Alle drei Seiten hatten die Gültigkeit dieses Abkommens kürzlich noch einmal bekräftigt.

Für die Zustimmung zur 25. Waffenstillstandsvereinbarung seit Kriegbeginn wurden Gründe genannt, die erstmalig Hoffnung auf eine — zumindest zeitweise — Einhaltung der Feuerpause aufkommen ließen. In Genf hieß es, die jüngsten Signale aus Washington und New York hätten ihre Wirkung auf die bosnischen Serben nicht verfehlt. US-Präsident Clinton hatte am Mittwoch erklärt, daß 76 in Italien stationierte Kampfflugzeuge der Nato möglicherweise ab nächstem Dienstag zum Schutz der sechs UNO-Schutzzonen in Bosnien eingesetzt würden.

Die bosnischen Regierungstruppen befinden sich derweil in der Region Sarajevo sowie in Nordbosnien in der Defensive. Dasselbe gilt für die kroatischen Milizen zumindest in Teilen Zentralbosniens. Kurz nach der Verkündung der gestrigen Vereinbarung teilte Karadžić mit, er habe seinen Truppen den Befehl zur Einstellung der Kämpfe erst ab heute mittag, 12 Uhr, befohlen. Kroatiens Präsident Franjo Tudjman begründete in Genf auf Anfrage die jüngste Waffenstillstandsvereinbarung ausschließlich mit „muslimischen Angriffen“.

Am Verhandlungstisch drängte die bosnische Regierungsdelegation trotz erneuter serbischer Angriffe gegen Sarajevo weiter darauf, daß der von Präsident Izetbegović am Montag abend eingebrachte Vorschlag für eine bosnische Föderation von den Serben und Kroaten sowie von den Vermittlern Owen und Vance als eigene Verhandlungsgrundlage akzeptiert werden müsse – neben dem serbisch-kroatischen Dreiteilungsplan. Geschehe dies nicht, werde die Delegation die Unterbrechung der Verhandlungen und die Einberufung des politischen Lenkungsausschusses der Verhandlungen beantragen, teilte der bosnische UNO-Botschafter Bijedić, mit. Gestern abend kam in Genf das Gerücht auf, die beiden Vermittler hätten einen neuen Kompromißplan vorgelegt, der die Bildung einer Konföderation aus drei nicht-ethnischen Republiken vorsieht. Andreas Zumach