Major ging im Rentnerparadies baden

■ Nachwahlsieg der Liberalen / Maastrichtklage abgelehnt

London (taz) – John Majors Popularitätsverlust vollzieht sich langsam, aber stetig. Bei den Nachwahlen in der konservativen Hochburg Christchurch in Südengland mußten der britische Premierminister und seine Konservative Partei am Donnerstag erneut eine schwere Schlappe einstecken. Der Tory-Kandidat Rob Hayward kam auf nur 31 Prozent der Stimmen – der im Mai verstorbene örtliche Tory-Abgeordnete Robert Adley war bei den Parlamentswahlen im April vergangenen Jahres noch auf mehr als das Doppelte gekommen.

Deutliche Wahlsiegerin war vorgestern die Kandidatin der Liberalen Demokraten Diana Maddock mit 62 Prozent der Stimmen, während Nigel Lickley von der Labour Party sich mit drei Prozent zufriedengeben mußte. „Dieses Ergebnis hätte ich mir nie träumen lassen“, log Maddock nach der Stimmauszählung gestern früh. In Wirklichkeit hatten sämtliche Meinungsumfragen vor der Wahl auf ihren Sieg hingedeutet. Die Voraussagen differierten lediglich in der Höhe des Vorsprungs.

Der Verlust von fast der Hälfte ihrer WählerInnen bedeutet für die Torys den größten Stimmenrückgang einer Regierungspartei seit dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem die Konservativen bereits im Mai den Sitz in Newbury an die Liberalen abgeben mußten, ist ihre Unterhaus-Mehrheit nun auf 17 Mandate geschrumpft. Der Parteivorsitzende Norman Fowler sprach denn auch von einem „wirklich schlechten Ergebnis“.

Und das ist noch stark untertrieben: Christchurch ist ein wohlhabendes Rentnerparadies, in dem die Torys seit 1910 unangefochten geherrscht haben. Der Chef der Liberalen, Paddy Ashdown, sagte, das Wahlergebnis zeige, daß die Bevölkerung eine „bessere Politik und eine bessere Regierung für Großbritannien“ wünsche. Sein Wahlkampfleiter Matthew Taylor prophezeite Major „einen politisch heißen Sommer“.

Der Premierminister machte gestern die lange Rezession und die parteiinternen Streitigkeiten über die Maastrichter EG-Verträge für die Niederlage verantwortlich. Hauptursache dürfte jedoch die Einführung einer Mehrwertsteuer auf Heizöl für Privathaushalte in Höhe von 17,5 Prozent sein, die RentnerInnen besonders trifft. „Ich werde bei der Mehrwertsteuer auf Heizöl keinen Rückzieher machen“, sagte Major gestern trotzig. Er beschuldigte die Liberalen des Opportunismus, da sie ursprünglich ebenfalls für diese Steuer eingetreten seien.

Eine Sorge ist Major dagegen vorerst los: Ein Londoner Gericht wies gestern die Klage des konservativen Oberhaus-Abgeordneten William Rees-Mogg gegen die Ratifizierung der Maastrichter Verträge ab. Der Tory-Lord hatte seine Klage, die von anderen konservativen Oberhaus-Mitgliedern finanziert wird, damit begründet, daß der in den Verträgen festgeschriebene Souveränitätsverzicht gegen die – ungeschriebene – britische Verfassung verstoße. Ob Rees-Mogg gegen das Urteil Berufung einlegt, will er in den nächsten Tagen entscheiden. Über Majors Zukunft werden allerdings weniger die Maastrichter Verträge oder Nachwahlen wie in Christchurch entscheiden als vor allem die Entwicklung der Wirtschaft. Erweist sich der Aufschwung, den Major ausgemacht haben will, in einem Jahr als Luftschloß, muß Major nicht nur mit einer verheerenden Niederlage bei den Europa-Wahlen im nächsten Sommer rechnen, sondern auch mit seinem Sturz durch die Tory-Parteimitglieder. Ralf Sotscheck