Bosnier gegen „Kompromiß“-Plan

Nur ein kroatisches Mitglied des Staatspräsidiums stimmte für Teilung des Landes / Bosnier kündigen neuen Vorschlag an / Karadžić lobt „Kompromiß“, will aber eigene Währung  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die bosnische Delegation bei den Genfer Friedensgesprächen hat das von den Vermittlern Owen und Stoltenberg vorgelegte „Kompromiß“-Papier gestern abgelehnt. Der am Donnerstag vorgestellte Vorschlag sei weniger ein „Kompromiß“ zwischen dem bosnischen Föderationsvorschlag und dem serbisch-kroatischen Dreiteilungsplan als eine Umbennung der Teilung der ehemaligen jugoslawischen Republik entlang ethnischer Linien. Die Bosnier wollen daher einen weiteren, eigenen Vorschlag formulieren. Für den gestrigen Nachmittag kündigte Präsident Izetbegović eine Pressekonferenz an. Ob die Verhandlungen am Wochenende fortgesetzt werden, war bis zum taz-Redaktionsschluß unklar.

Die bosnische Entscheidung fiel nach intensiven internen Beratungen gestern morgen. Für die Annahme des „Kompromiß“-Papiers votierte dabei nur Bosniens Premierminister Mile Akmadžić, einer von drei kroatischen Mitglieder im zehnköpfigen Staatspräsidium. Akmadžić hatte sich bereits am Donnerstag abend öffentlich für die Annahme des Papiers ausgesprochen. Am Morgen hatte sich der kroatische Bosnier in einem Genfer Hotel mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und dem Kommandanten der bosnischen Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ (HVO), Mate Boban, getroffen.

Die in der Genfer Delegation vertretenen muslimischen und serbischen Mitglieder des Präsidiums sowie die anwesenden Oppositionspolitiker votierten dagegen geschlossen gegen die Annahme des Owen-Stoltenberg-Vorschlages. Für sie ist das zwölfseitige Papier in der Substanz identisch mit dem serbisch-kroatischen „Konföderationsvorschlag“, der auf eine Aufspaltung Bosnien-Herzegowinas in drei überwiegend ethnisch definierte Teilstaaten abzielt. Auch die weitgehend kosmetische Veränderung, die den nur schwerlich als „Kompromiß“ zu bezeichnenden Vorschlag für die bosnische Regierungsdelegation akzeptabel machen sollte, konnten darüber nicht hinwegtäuschen.

Statt „Konföderation“ ist in dem Papier von einer „Union der vereinten Republiken Bosnien- Herzegowinas“ die Rede. Die drei vorgesehenen Teilstaaten sollen keine ethnischen Namen wie serbisch, kroatisch oder muslimisch tragen. Sogar Doppelstaatsbürgerschaften sollen möglich sein.

Wie im serbisch-kroatischen Dreiteilungsplan jedoch sind alle wesentlichen Politikkompetenzen bei den Regierungen der Teilrepubliken angesiedelt. Die gemeinsame Unionsregierung, die aus Vertretern aller drei Teilrepubliken gebildet werden soll, soll lediglich für den Außenhandel und die Außenpolitik zuständig sein. Einige Mitglieder dieser Unionsregierung sollen in regelmäßigem Rhythmus zwischen Vertretern der drei ethnischen Gruppen rotieren. Ebenfalls wie im serbisch-kroatischen Dreiteilungsplan ist auch in dem neuen Owen-Stoltenberg- Papier kein gemeinsames, von allen BürgerInnen der angestrebten bosnischen „Union“ zu wählendes Parlament vorgesehen. Ein solches hatten die Bosnier in ihrem Föderationsvorschlag aber ausdrücklich verlangt. Statt dessen sollen die Parlamente der drei Teilrepubliken Vertreter in eine Abgeordnetenkammer der Union delegieren.

Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić und Serbiens Präsident Slobodan Milošević hatten zuvor weitgehend zustimmend auf das Papier reagiert. Beide waren des Lobes voll für die Arbeit von Owen und Stoltenberg. Der Vorschlag der beiden Vermittler komme dem serbisch-kroatischen Konföderationsmodell „sehr nahe“, erklärte Karadžić in Genf vor Journalisten. Er bemängelte allerdings, daß das Papier „immer noch bestimmte Kompetenzen bei der Zentralregierung statt bei den Regierungen der Teilrepubliken“ ansiedele. Ausdrücklich verlangte Karadžić, daß jede der drei Teilrepubliken ihre eigene Währung und Zentralbank haben müsse.