Guerilla-Armee und Parlamentspartei

■ Hisbollah entstand als Antwort auf die Invasion von 1982

Als die Israelis 1982 einmarschierten, um den palästinensischen Widerstand aus dessen heimlicher Hauptstadt Beirut zu vertreiben, rechneten sie wohl kaum damit, daß sie sich einen noch unerbittlicheren Feind schaffen würden. Die Invasion von 82 wurde zur Geburtsstunde der Hisbollah, der schiitischen „Partei Gottes“, die in den achtziger Jahren durch Entführung westlicher Geiseln und Selbstmordkommandos gegen amerikanische und israelische Stellungen von sich reden machte.

Den Kämpfern der Hisbollah gelang in Zusammenarbeit mit anderen Widerstandsgruppen, was keiner arabischen Armee gelang: Die Israelis zu zwingen, zumindest einen Teil des besetzten Südlibanon bedingungslos zu räumen.

Dabei waren die Schiiten im unterentwickelten Süden und in den Slums von Beirut jahrelang überhaupt kein aktiver Faktor in den innerlibanesischen Auseinandersetzungen gewesen. Sie waren die Opfer des von Maronniten und Sunniten dominierten politischen Konfessionalismus, der ihnen keine Stimme gab. Und im Süden waren sie das ständige Ziel israelischer Vergeltungsaktionen für palästinensische Katjuscha-Angriffe auf die Siedlungen im Norden Israels.

Als die ersten israelischen Panzer über die Grenze rollten, glaubten viele Schiiten noch, die Israelis würden sie von der Dominanz der palästinensischen Fedayin befreien. Aber die „Befreiung“ verkehrte sich schnell zur brutalen Besatzung. Tausende junger Schiiten wurden verhaftet und nach Israel verschleppt. Ganze Dörfer, die verdächtigt wurden, Palästinenser zu beherbergen, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Hier im Süden begann der bewaffnete Widerstand der Hisbollah-Kämpfer.

DIe ersten Hisbollah-Zellen waren unter dem Einfluß der iranischen Revolution innerhalb der schiitischen Sammlungsbewegung Amal entstanden. Zum Bruch mit Amal kam es, als diese dem Habib- Abkommen über den Abzug der palästinensischen Truppen zustimmte. Für die Radikalen war das die Unterwerfung unter den „Großen Satan“ Amerika. Ausgebildet und bewaffnet wurden die Hisbollah-Kämpfer durch 1.000 iranische Revolutionswächter, die der Iran zur Unterstützung des palästinensischen Widerstands 1982 in den Libanon entsandt hatte. Auch wenn man die Führungskader von Hisbollah auf den ersten Blick für iranische Mullahs halten mag, so sind sie doch zugleich libanesische Pragmatiker. Sehr schnell haben sie von der Forderung nach einem islamischen Staat Abstand genommen.

Teil des Machtgefüges

Obwohl Hisbollah gegen das Abkommen von Taif zur Beendigung des Bürgerkrieges von 1989 war, weil es ihrer Meinung nach nur zur Umverteilung der Macht zwischen den Konfessionsgruppen führte, nicht aber zur geforderten Abschaffung des politischen Konfessionalismus, hat sie sich doch den Abmachungen von Taif angeschlossen, die Legitimität des Staates anerkannt und die von ihnen kontrollierten Gebiete der libanesischen Armee übergeben.

Daß Hisbollah zumindest auf der innerlibanesischen Bühne politikfähig geworden ist, hat sie bei den Parlamentswahlen im letzten Sommer unter Beweis gestellt. Unter den Schiiten profilierte sie sich als stärkste Partei und zog mit acht Abgeordneten ins Parlament ein. Anders als viele der anderen Milizenführer haben diese die großzügigen Unterstützungsgelder aus dem Iran nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, sondern Schulen und Krankenhäuser gebaut. Im Parlament haben sie ihre Fähigkeit zu einer pragmatischen Oppositionspolitik zugunsten der Unterschichten unter Beweis gestellt.

Dafür, daß sich Hisbollah den Spielregeln von Taif unterworfen hat, mußte die Regierung jedoch ein Zugeständnis machen: Die Widerstandskämpfer im Süden werden von der Entwaffnung der Milizen ausgenommen, solange Israel die besetzte „Sicherheitszone“ im Süden nicht geräumt hat. Bei einer Entwaffnung der Widerstandskämpfer im Süden droht die Kündigung des innerlibanesischen Stillhalteabkommens. Ivesa Lübben