Mit Polizeirazzien gegen muslimische Flüchtlinge

■ Muslime in Kroatien interniert / USA wollen Sarajevo aus der Luft schützen

In der Nacht auf Freitag kam es in mehreren kroatischen Städten zu Polizeirazzien gegen muslimische Flüchtlinge. Schwerstbewaffnete Einheiten der Militärpolizei drangen in Split, Pula, Šibenik und in Zagreb in mehrere Heime und Massenunterkünfte unter dem Vorwand ein, „radikaler islamischen Fundamentalisten“ und „politischer Agitatoren“ habhaft werden zu wollen. Angeblich versuchten diese, sich ohne gültige Aufenthaltspapiere unter die rund eine Million Flüchtlinge in Kroatien zu mischen. Nach Berichten von Betroffenen ist die Aktion der Auftakt eines Planes, der unter dem Codewort „Rama“ eine massenweise Abschiebung muslimischer Flüchtlinge aus Kroatien vorsieht. So seien gestern bereits 104 Muslime in zwei Bussen in den kroatisch besetzten Teil Bosnien-Herzegowinas abtransportiert worden. Dort sollen die „Terroristen“ angeblich gegen kroatische Kriegsgefangene ausgetauscht werden, so eine Meldung von Radio Sarajevo.

Offizielle kroatische und bosnische Stellen dementierten die Berichte, und auch das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) in Zagreb war zu keiner Stellungnahme bereit. Auf Anfrage der taz wollte auch die bosnische Botschaft in der kroatischen Hauptstadt zu den Vorwürfen keine näheren Angaben machen, man wolle erst weitere Reaktionen der Kroaten abwarten und dann reagieren. Die Göttinger „Gesellschaft für bedrohte Völker“ dagegen protestierte unverzüglich mit einem offenen Brief an den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gegen die Verhaftungen und warf diesem vor, mit „diesen skandalösen Zwangsmaßnahmen die Aggression gegen die Bosnier zu verstärken“. Karl Gersuny, Wien

Washington (AP) – Die amerikanische Regierung erwägt, die bosnische Hauptstadt Sarajevo mit Luftangriffen vor der Eroberung durch bosnische Serben zu schützen. Wie am Freitag aus dem Außenministerium in Washington verlautete, wird bereits versucht, die Unterstützung der Nato und Rußlands für eine solche Militäroperation zu erhalten. Es habe schon Gespräche mit Frankreich und Großbritannien gegeben, für das Wochenende seien weitere Beratungen mit Vertretern Rußlands, Deutschlands, Spaniens und der Niederlande sowie mit Mitgliedern des US-Kongresses geplant.

Das Vorhaben wird vom US- Außenministerium als Eingeständnis gewertet, daß diplomatische Verhandlungen nicht ausreichten, die Muslime zu schützen.