Thematische Welten- und Genrewechsel

■ Theaterpremiere und Musik beim Sommertheater: Eva-Maria Martin und Sarband

Eva-Maria Martin — Wildpark

Die Wiederaufnahme Wildpark, eine Theater-Video-Collage der Hamburger Theatermacherin Eva-Maria Martin, ist die einzige deutsche Produktion beim diesjährigen Sommertheater. Im „Theater an den Schnittflächen von Kulturen“ trifft Wildpark einen speziellen Punkt, die Schnittflächen medialer und individueller Welten innerhalb einer Kultur.

Zu Beginn gelangt das Publikum durch eine Art Museum menschlicher Physis zu den Rängen. Von denen aus sind nun die multimedialen Verwirrspiele von Eva-Maria Martin und Co-Autor Manfred Studer zu beobachten.

Noch üben „Exot“ und „Exotin“ „den“ Flamenco. Das rhythmische Klatschen klappt noch nicht recht, egal: Auf fliegt die Tür und hinaus vor johlende Massen nebenan tritt das Duo, das sich bewährt hat in „afrikanischer“ und „tahitianischer“ Folklore und sich diesmal als die weltweite Kolportage eines „spanischen“ Paares verkauft. Als trainierte „Exotin“ verläßt Petra Wolf die Bühne der K1, gefolgt von „Exot“ Emanuel Bettencourt. Auf dem Monitor inmitten der realen Bühne wird das Dokument eines „Auftritts“ abgespult. Und schon nimmt die nächste Szenerie den Faden auf: den Faden von Fremdsein, Mißvertstehen, Aneinandervorbeireden und anderen - mitunter - komischen Dingen.

Fritz (Matthias Breitenbach) spricht in der Stimme der Mutter, um sich zu demütigen, zu beschimpfen und Verbote zu verhängen. Der sein Zuhause in einer Menschenvitrine hat, sagt Kafka so vor sich hin und verwickelt Paula in verzwickte Tauschhandel, bei denen viel durcheinander gerät.

Zwischen den „Wohninseln“ von „Exot und Exotin“, dem Zimmer der Schwestern Paula und Sophie, der beiden Komiker Andre und Kolja, die im Bett der Mutter harren, und Fritzens Vitrine springen die Szenen assoziativ dahin. Im Wildpark der desorientierten Gestalten jagt eine Szene die nächste in wohlorganisierter Dramaturgie, surrender Theatermechanik und multimedialer Effekte, die im Ganzen eine innere Spannung noch zu wünschen übrig ließen.jk

heute und morgen, K1, 21 Uhr

Sarband — Musik der Könige

Vladimir Ivanoff, Musiker, Musikwissenschaftler und musikalischer Leiter von Sarband, liegt daran, die gemeinsamen Wurzeln zwischen der frühen europäischen Musik und den Musikkulturen des Islam aufzuzeigen. Konsequent klingen in den Konzerten von Sarband europäische und arabische Instrumente gemeinsam, einmal bei moslemischer Sufi-Musik, dann bei italienischen volkstümlichen oder religiösen Liedern. Auch der Name ist Programm: Sarband bezeichnet im Syrischen die Verbindung zweier Teile innerhalb einer Suite.

Am Samstag spielte die Münchener Gruppe Musik der Könige, thematisch bezogen auf Friedrich II. (1194-1250) und Timur (1370-1405): beides mächtige Herrscher, die ihre absolutistische Gewalt sowohl durch Blutbäder wie durch luxuriöse Hofhaltung demonstrierten. So erklang nacheinander mittelalterliche Musik, wie sie Friedrich II. in Süditalien pflegte und orientalische Lieder vom Hofe Timurs in Samarkand.

In der ausverkauften Halle 4 entwickelte die Gruppe während des gut einstündigen Konzertes eine fast beschwörende Atmosphäre. Da strich ein Musiker endlos lang eine leere Quinte, bis sich irgendwann eine Drehleier einmischte, ein Perkussionsinstrument hinzukam. Zwischendurch der leise Gesang zweier Frauen. Auch alle Instrumente klangen viel leiser als heutzutage üblich. Nach dieser zurückhaltenden Lautstärke setzte das Finale mit Schalmei und verstärktem Schlagwerk dann aber doch noch einen fulminanten Schlußpunkt. Ein begeistertes Publikum dankte es den spielfreudigen Musikern. Helga Wallschlag