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Der Duft macht süchtig, nicht der Tabak

■ Seit 35 Jahren produziert Reynolds in Berlin Zigaretten / Ex-DDR-Marke "Club" fährt Gewinne ein /Manager klagen über Umsatzeinbußen durch Zigarettenschmuggel / Standort angeblich nicht gefährdet

Ganz so brutal wie in Kalifornien, wo Raucher fürchten gesteinigt zu werden, und ganz so schlimm wie in Frankreich, wo Restaurantbesitzer mit Verfassungsklagen für das Recht ihrer Gäste auf freien Rauch streiten, ist es in Deutschland nicht. Trotzdem bläst auch hier der Zigarettenindustrie der Qualm ins Gesicht. Der Absatz stagniert und das böse Bundesgesundheitsamt wacht mit Argusaugen über die Werbung. Grund genug für die Nummer fünf auf dem deutschen Markt, die Reynolds Tabacco GmbH (nach Philip Morris, Reemtsma, BAT, Brinkmann) wieder ein bißchem Imagepflege zu betreiben, denn ihr Marktanteil sank in den letzten vier Jahren um drei Punkte auf 6,8 Prozent. Und zudem ist ein Anlaß gegeben. Die Tochterfirma des US-Multis feiert in diesem Jahr ihr 35jähriges Bestehen in Reinickendorf. Am Freitag pilgerten Journalisten ins Werk, und am Samstag war Tag der offenen Tür, mit Bierzelt, Gratisstengeln und Country-Musik bei strömendem Regen.

Knapp 700 Mitarbeiter beschäftigt die Berliner Filiale, fast die Hälfte von ihnen sind Frauen. Am Schwarzen Brett hängt ein Aufruf der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten gegen Rassimus, aber viele Ausländer arbeiten nicht im Werk. Vielleicht 60, schätzt der Werksdirektor Heinz- Peter Jungfleisch. Die Public-Relation-Abteilung hatte vergessen, den Betriebsrat zur Journalistenrunde einzuladen. Der hätte Auskunft geben können. Die meisten Ausländer kommen aus Vietnam, sagt der Werksdirektor, seien keine Ex-DDR-Vertragsarbeiter, sondern Boatpeople aus den siebziger Jahren. Bei der Betriebsbesichtigung ist niemand von ihnen zu sehen, überhaupt verschwinden die Menschen in dem Gewirr von Maschinen. Weil das Reinickendorfer Werk keine Firma auf der grünen Wiese ist, sondern ein x- mal um- und ausgebauter Altbau, laufen die Transport-, Förder-, Tabakmisch-, Schüttel-, Befeuchtigungs-, Kühl-, Trocken-, und Schneidemaschinen in der Abteilung Tabakaufbereitung nicht in einem übersichtlichem Fluß, sondern über- und untereinander, um die Ecke und dicht nebeneinander. „Vorsicht bücken“, warnt der Betriebsdirektor alle Nase lang.

Von Honig, Rum und Lakritze

Der ganze Produktionsvorgang ist computergesteuert, die meisten Beschäftigten in dieser Abteilung bewachen Signallampen oder fegen die Halle auf schön. Sollte über Berlin morgen eine Totalblockade hereinbrechen, bei Reynolds liegen Rohtabakvorräte für 16 Monate. Er kommt aus den USA, Korea, aus der Türkei, Griechenland und Bulgarien. Der deutsche schwarze Tabak steckt in Reval oder Rothändle, aber diese Marken gehören der Konkurrenz. Die Reynolds-Kunden mögen es soft, den „Taste of American-Blend“, Markenführer ist Camel. Sie hat, sagt Direktor Jungfleisch, jetzt einen neuen Geschmack verpaßt bekommen, weil die Raucher nach „der 350sten an einem Vormittag anfingen zu husten“.

Damit es beim Inhalieren nicht mehr so kratzt, mischen jetzt die Chemiker den „Casting und Flavour-Maschinen“, die den Geschmacksstoff auf den Tabak sprühen, ein bißchen Honig bei. Die Marrokaner, die aus Berlin die Marke „Marquise“ importieren, mögen ein bißchen Rumduft in ihren Glimmstengeln und die Russen bei der „Magnum“ einen Hauch Lakritze. Aber das sind alles Betriebsgeheimnisse, nur so viel: Der Geschmack erzieht den Kunden zur Markentreue und nicht das Nikotin, die „Soße“ bringt's und nicht die Planze. Und jedes Land hat seine eigene Mischung und seinen eigenen Duft. In Berlin produziert Reynolds in erster Linie für den deutschen Markt, insgesamt 17 Milliarden Zigaretten im Jahr. Pro Tag sind das 76 Millionen Stück im Zweischichtbetrieb. Würde man die alle hintereinander legen, gebe es eine Tabakspur von Lappland bis nach Gibraltar, genau 6.380 Kilometer lang.

Alte DDR-Marke „Club“ profitiert vom Ost-Bonus

Einige hundert Kilometer wären mit dem neuesten Produkt belegt, nämlich mit der „Club“. Bis Oktober 1990 wurde sie bei der Berliner Zigarettenfabrik in Pankow gerollt. Aber dann platzte in letzter Sekunde wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse der Gesamtverkauf des ganzen Werkes an Reynolds und die Treuhand verschleuderte einen Tag vor der deutschen Einheit die Markenrechte separat. Weil die Einführung eines neuen Markennamens aber die Konzerne über drei Jahre hinweg etwa 60 Millionen Mark kostet, hat Reynolds mit den 13 Millionen, die sie für den Namen Club bezahlte, ein echtes Schnäppchen eingefahren. Jetzt verkauft sich die EX-DDR-Zigarette mit dem unveränderten Ostdesign im Neufünfland gut. „Es macht Spaß, mit der Club zu arbeiten“, sagt der für die „Club-Familie“ zuständige Marketing-Chef Andreas König, „weil die Menschen hinter dem Produkt stehen.“ Das Thema Club und das traurige Schicksal der Berliner Zigarettenfabrik, die in Folge des Treuhandausverkaufs bis heute stillsteht, „berührt uns sehr“, sagt Public-Relation-Chefin Silvia Merk. Ihr Trost: „Wir haben sie immerhin vor dem Untergang gerettet.“

Einbuße durch Schmuggel: 15 Prozent des Umsatzes

Ganz und gar nicht konziliant ist die Werksleitung beim Thema Zigarettenschmuggel. Wenn das so weiter geht, schimpft Direktor Jungfleisch, „wird uns Hören und Sehen vergehen“. Fast jede dritte Zigarette, die in den neuen Bundesländern geraucht werde, sei illegal eingeführt worden. Am liebsten würde er auch den Kunden der vietnamesischen Straßenhändler 5.000 Mark Strafe pro Stange aufbrummen. Silvia Merk schätzt, daß der Schmuggelhandel mit Reynolds-Produkten aus dem Hamburger Freihafen oder aus den eigenen Dependenzen im Ostblock die Berliner Produktionsstätte 15 bis 18 Prozent Umsatzverlust pro Jahr koste. „So billig wie die Schmuggler die Kunden können wir nicht mal die Kioske beliefern“, sagt sie. Der illegale Handel koste den Staat nicht nur Millionen an entgangenen Steuern, sondern langfristig auch Arbeitsplätze. Mittelfristig zumindestens, sagt Direktor Jungfleisch, bestehe dafür keine Gefahr. Das Werk sei voll ausgelastet und habe gerade einige Millionen in neue Zigarettenmaschinen investiert. Früher seien im Rahmen der Berlin-Förderung 14 bis 20 Millionen Mark Herstellerpräferenz gezahlt worden. Der Abbau dieser Subventionen schmerzt zwar das Trierer Werk, denn die haben mit der Berliner Zitterprämie ihre Bilanzen vergoldet, gefährdet aber nicht den Standort Berlin. „Ich denke“, sagt der Werksdirektor, „wir werden in Berlin noch viele Geburtstage feiern.“ Anita Kugler (Kettenraucherin)

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