■ Genf und Bosnien: Verhandeln beförderte den Krieg
: Handeln oder Verhandeln

„Wir müssen verhandeln, verhandeln und noch einmal verhandeln.“ Dieses Credo des Hauptverhandlers der Europäischen Gemeinschaft, Lord Owen, mag bei uns in Deutschland in vielen Ohren schlüssig klingen. Denn es scheint vernünftig. Vor der Alternative nämlich, den Krieg in Bosnien mittels einer Militärintervention zu beendigen, schrecken viele noch zurück. Würde nicht der Einsatz militärischer Mittel Öl aufs Feuer gießen, würde denn dann nicht der Krieg sogar noch ausgeweitet? Wäre nicht dann die Zivilbevölkerung erst recht betroffen? Die Politik Lord Owens erscheint vielen als Friedenspolitik.

In Bosnien dagegen wühlen diese Fragen tiefe Emotionen auf. Statt zu handeln wird verhandelt. Anstatt den Angegriffenen zu helfen, wird den rechtsextremistischen Mördern recht gegeben. Die Verhandler erscheinen als Kumpane einer Weltverschwörung gegen Bosnien, gegen die bosnische Idee, gegen die Muslime. „Großbritannien und Frankreich stützen Serbien, weil sie Deutschlands Einfluß auf den Balkan fürchten“, ist eine andere Wahrnehmung. Und alle sind sich darin einig, daß alle Verhandlungsrunden nur dazu dienten, den gleichzeitigen militärischen Aufmarsch vor allem der serbischen Seite abzudecken.

Alle Ergebnisse der Verhandlungen, so der Außenminister Bosnien-Herzegowinas, Haris Silajdzic, wurden von Owen selbst negiert. Immerhin wäre ja der Vance-Owen Plan nach all den Monaten der Verhandlungen trotz großer Bedenken und unter großem Druck von Izetbegović unterzeichnet worden. Doch statt nun Druck auf die serbische Seite auszuüben, sei der Vertrag von einem Tag zum anderen in der Schublade verschwunden. Und wieder würde jetzt großer Druck angewandt, um die Bedingungen der serbischen Seite der bosnischen Regierung aufzudrücken.

In der Tat bleibt die Frage unbeantwortet, warum der Chefunterhändler nicht über soviel Rückgrat verfügt hat, zurückzutreten, da sein Plan gescheitert war. Die Vermutung, Owen sei nicht unabhängig genug, in eigenem Ermessen zu verhandeln, hat so in Bosnien neue Nahrung gefunden. Daß die Verhandlungsführung nur wenig von Prinzipien und Werten der internationalen Gemeinschaft, dafür um so mehr durch Entgegenkommen gegenüber den stärksten Kriegsparteien gekennzeichnet ist, war schon vorher klar. Nicht zuletzt diese Verhandlungsführung hat dazu geführt, daß der Kroate Mate Boban Mitte April zum Angriff auf Zentralbosnien blies. Der Verhandlungsprozeß hat den Krieg befördert. Das Verhandeln um jeden Preis hat zu großem Leid geführt. Erich Rathfelder, z.Zt. Split