Strafverfahren gegen Steinmetz?

■ Bundesanwalt ermittelt gegen den V-Mann / Täuschte Steinmetz nicht nur die RAF, sondern auch den Verfassungsschutz? / Verwechslung führte zum Festnahmedesaster von Bad Kleinen

Berlin (taz) – Klaus Steinmetz, der V-Mann des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, muß mit einem Strafverfahren rechnen. Ihm wird von den Karlsruher Ermittlern die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und die Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens – den Anschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt – vorgeworfen. Ihm sei, so der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe, die Anwendung der Kronzeugenregelung in Aussicht gestellt worden.

Eine entsprechende Anklage wäre konsequent, wenn es stimmt, was man jetzt über den V-Mann Klaus Steinmetz, 33, durch den Bericht des rheinland-pfälzischen Innenministers Walter Zuber (SPD) vor dem Innenausschuß des Landtages erfahren hat. Dann war Klaus Steinmetz in der Tat nicht nur ein Verfassungsspitzel, dem es nach 23 Jahren RAF als erstem gelang, tief in die Kommandoebene vorzudringen. Dann lag es nicht allein in seinem Interesse, der RAF den Garaus zu machen – die RAF selbst muß ihm am Herzen gelegen haben. Bei der Vernehmung in Mainz in den letzten Wochen äußerte der V- und (RAF-?)Mann, daß er von dem geplanten Anschlag auf das gerade fertiggestellte Gefängnis am 27. März gewußt habe. Zuber über Steinmetz: „Im Januar oder Februar 1993 sei ihm ein Kassiber zugespielt worden. In diesem Kassiber sei er aufgefordert worden, Stellung dazu zu nehmen, ob er eine Aktion gegen die JVA Weiterstadt für sinnvoll halte. Der V-Mann gibt an, er habe diese an ihn gestellte Frage mit ,Nein‘ beantwortet, da er zu diesem Zeitpunkt einen eventuellen Anschlag sowohl für die Interessen der Gefangenen als auch für die eingeleitete ,Politik der Gewaltlosigkeit‘ als kontraproduktiv gehalten habe.“ In den „Berichten aus Bonn“ am Freitag abend hieß es sogar, Klaus Steinmetz habe an dem Entspannungspapier der RAF vom April 1993, in dem es unter anderem hieß, daß vorerst weitere Anschläge auf Repräsentanten aus Staat und Wirtschaft eingestellt würden, mitformuliert.

Wenn es stimmt, daß Steinmetz dieses Wissen gegenüber den Behörden verheimlicht hat, dann gehen die massiven Vorwürfe gegen Zuber in die falsche Richtung. Walter Zuber hat nicht falsch informiert, er hat Häppchenpolitik betrieben. Zunächst hat er über die Existenz des V-Mannes überhaupt nichts gesagt – warum nicht? Dann hat er geäußert, daß der rheinland- pfälzische Verfassungsschutz von Weiterstadt nichts gewußt habe, V-Mann „Klaus“ vielmehr erst nach Bad Kleinen über Weiterstadt gesprochen habe. Und am letzten Freitag eröffnete Zuber dann endlich, daß Steinmetz gesagt hat, er sei bereits vor Weiterstadt über den Anschlag informiert gewesen, habe dem Verfassungsschutz aber erst nach Bad Kleinen davon Mitteilung gemacht. Laut Zuber hat Klaus Steinmetz weiter angegeben, daß er Weiterstadt deshalb verheimlichte, weil er „angenommen habe, daß mit jedem Treffen der Zugriff unausweichlicher würde und es, wie jetzt in Bad Kleinen geschehen, zu einem Blutbad kommen würde“. Dann allerdings ist unverständlich, weshalb V-Mann „Klaus“ die Behörden über das anstehende Bad-Kleinen- Treffen unterrichtete und sich sogar mit Sendern ausstatten ließ.

Dort ging alles schief. An der versehentlichen Festnahme von Klaus Steinmetz und der kurzzeitigen Flucht Wolfgang Grams' war eine Verwechslung schuld. Laut Spiegel spielte sich im Tunnel in Bad Kleinen folgendes ab: Nachdem Steinmetz plötzlich von einem GSG-9-Beamten gestellt worden war (warum wußte der nicht, wer Grams und wer Steinmetz war?), hörte ein Kollege durch sein Funkgerät: „Zugriff erfolgt ...“ und nahm an, die Aktion sei bereits beendet. Den an ihm vorbeihastenden Grams hielt er für den V- Mann, der entkommen solle. Tatsächlich lautete der Funkspruch, der in dem Tunnel aber nicht richtig ankam: „Zugriff erfolgt (soll heißen: soll erfolgen) wie besprochen.“ Julia Albrecht