■ Nachrichten, die wir schon immer lesen wollten
: „Es tickt, tackt, schnarrt und surrt“

Berlin (taz) – Liegt es an der plötzlichen Sommerhitze, daß die Nachrichtenagenturen verstärkt geballten Unsinn ausspucken? Oder finden Sie etwa folgende Meldung mit dem Titel „Ein Auto für Sie – Autodieb griff zu“ lustig? „Dieses Angebot auf dem Verkaufsschild an einem Mittelklassewagen hat ein 30jähriger Mann aus Lettland für bare Münze genommen“, heißt es da. „Er klaute das Fahrzeug kurzerhand vom Hof eines Autohauses in Mönchengladbach. Wie die bayerische Grenzpolizei mitteilte, wurde der Autodieb bei einer Routinekontrolle am deutsch-tschechischen Grenzübergang Waidhaus mit seiner ,Neuerwerbung‘ erwischt. Das Reklameschild hatte er zuvor mit einem gestohlenen Kennzeichen überdeckt.“

Von eher kindlichem Humor des Schreibers zeugt folgende Meldung: „Anlaß zum Feiern in der südfranzösischen Stadt Condom bietet ein besonderer Jahrestag. Hundert Flaschen mit 60jährigem Weinbrand namens ,Bischof von Condom‘ spendierte eine britische Gummifabrik, die im Jahr 1933 Kondome auf den Markt gebracht hatte. Zugedacht sind die edlen Flaschen den besten Kunden des Präservativherstellers. Das sind in Condom die Supermärkte.“ Das ist brüllend komisch.

Eher peinlich ist es, wenn JournalistInnen dichterische Ambitionen hegen: „Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem die Zeit niemals stehenbleibt, dann ist es das Städtchen Rockenhausen im westpfälzischen Donnersbergkreis. In einem kleinen Fachwerkhaus etwas abseits der Hauptstraße tickt und tackt, klingelt und schlägt, schnarrt und surrt es unaufhörlich, werden Minuten zu Stunden, Stunden zu Tagen, Tage zu Wochen und Monaten zusammengezählt. Kleine Hämmerchen sausen auf schwere Glocken, goldene Zahnräder greifen langsam ineinander, große Pendel schwingen bedächtig hin und her. Dieser Zeit-Raum ist die ,Uhrenstube Rockenhausen‘, Deutschlands wohl größte private Turmuhrensammlung.“ Hedwich, ick hör' dir trapsen.

Kein Sommerloch ohne Tiere und Nonnen. Zunächst die Tiermeldung: „Eine etwa 25jährige Frau hat am Donnerstag eine rund zwei Meter lange Pythonschlange aus einer Zoohandlung in Stuttgart gestohlen – und keiner weiß warum. Die Unbekannte hatte sich die etwa zehn Kilo schwere Würgeschlange aus dem Terrarium nehmen lassen. Zunächst stellte sich die Frau mit dem Reptil an der Kasse an. In einem unbeobachteten Augenblick lief sie davon.“

In einem ähnlich unbeobachteten Augenblick muß der Autor diese Zeilen zu Papier gebracht haben: „Nonne auf Abwegen: Eine autofahrende Klosterfrau stieß am Wochenende im Landkreis Lindau/Bodensee mit 1,23 Promille Alkohol im Blut mit einem Pkw zusammen. Wie die Behörden berichteten, hatte die geistliche Dame aber einen Schutzengel, denn niemand wurde verletzt. Die Ordensfrau beichtete der Polizei, sie habe lediglich ein kleines Bierchen und eine Schnapspraline zu sich genommen.“

Apropos Bierchen: „Die Wirte der großen Volksfeste in Deutschland haben offenbar Angst vor wut-schäumenden Biertrinkern“, metaphert der Agentur-Journalist vor sich hin. „Auf jeden Fall wollen die Bierzelt-Unternehmer beim Cannstatter ,Wasen‘ in Stuttgart die Zehn-Mark-Scha(u)m-Grenze in diesem Jahr noch nicht überspringen. Auch beim Oktoberfest in München bleibt der Bierpreis ,heuer darunter‘. Es scheine, daß die Besitzer der großen Biertempel bei der derzeitigen Rezession Furcht vor dem ,Zehner pro Liter‘ haben.“ Bei uns bleibt dagegen die Furcht vor weiteren flachsinnigen Ticker-Meldungen. Ralf Sotscheck