Rückkoppelung der Dummheit

■ Wie der nationalistische Wahlkampf sich selbst bekämpft

Äußerlich erscheint das Vier-Seiten-Blatt, als würde Harrys Fliesenmarkt seine Wurfsendungen neuerdings von den Gestaltern der Neuen Spezial layouten lassen. Doch die Deutsche Wochen-Zeitung bietet weder guten Humor noch billige Leistung. Sie ist das Wahlkampforgan der nationalistischen Deutschen Volks Union (DVU) und landet umsonst in Hamburgs Briefkästen. Ihr Ziel, auf den bildungs- und gedankenlosen Weiden des sozialen Neides zu grasen, verfolgt sie mit Stilmitteln, die Betrachtung verdienen. Denn die Zusammenstellung von Texten, Bildern und grafischen Elementen ist derartig kurios und hart an der Grenze, wo bei denkenden Menschen die Satire beginnt, daß die suggestive Wirkung beim Zielpublikum fürchterlich sein muß. Selbst der vom Holsten-Bier umnebelte Dummkopf, an den das Pamphlet einzig gerichtet sein kann, dürfte bei aller Alkohol-Logik Probleme haben, ernst zu bleiben.

Er, der er stets SPD gewählt hat und nur glaubt, was in der BILD-Zeitung steht, fühlt sich mit seinen morgendlichen 2,5 Promille, mit denen er den Artikel „MORD!“ liest, doch völlig gefoppt. Da wird ihm subtil vorgegauckelt, daß die kleine Petra, die nun Halbwaise ist, weil ihr Papi, der Polizist, von einem ausländischen Dealer ermordet wurde, identisch mit dem Kopf eines Playmates ist, das direkt darunter abgebildet wird; und weiter, daß der ebenfalls dort gezeigte Mafia-Boss Lucky Luciano (dessen verzerrtes Konterfei inbegrifflich böse dreinschaut) einen armen Gastwirt in Hamburg zum Krüppel hat schlagen lassen, weil der kein Schutzgeld zahlen wollte - obwohl Luciano doch längst tot ist. Doch was soll er erst denken, wenn er am Ende der acht Sätze, aus denen der einzige Artikel der Titelseite besteht, die merkwürdige Forderung der DVU liest: „Macht die Gefängnisse und die Grenzen für Kriminelle dicht!“ Die Gefängnisse für Kriminelle dicht machen? Wo soll denn das hinführen?

Die geradezu unglaubliche Steigerung des Anteils von Ausländern an Untersuchungshäftlingen innerhalb einer Woche (DVU von letzter Woche 50 Prozent, diese Woche 60 Prozent) und die wortgetreu gleiche Formulierung ihrer persönlichen politischen Ziele durch zwei verschieden Kandidaten wird dem deutschen Rassisten gar nicht aufgefallen sein. Daß das Blatt den Saurier aber als Allegorie der Partei auserkoren hat (Stichwort: „Zähne zeigen!“), wo selbst das Privatfernsehen mit der Dummheit dieser Tiere wirbt, kränkt den potentiellen DVU-Kunden dann doch. Gottseidank erfährt er zum Trost, daß Kurt Schumacher und Friedrich Ebert heute auch DVU wählen würden.

Wenn unser, in der Vorhölle des Korsakov-Syndroms vegetierender DWZ-Leser nach soviel Desinformation endlich das Gefühl bekommt, daß die DVU vielleicht doch nicht die ideale Vertreterin seiner „deutschen Lebensinteressen“ ist, überrascht ihn das Blatt mit einer Alternative. Unter der Rubrik „Hamburg hat die Wahl“ liest er: „Scheinasylanten oder DVU“. Wenn also, liebe Wahlhelfer, am 19. September rotgesichtige Michel mit Bierdose in der Hand nach der Partei „Scheinasylanten“ fragen, haben Sie Verständnis für diese kleine Rückkoppelung der Dummheit. Till Briegleb