Ein Brett für die Nacht

■ Gut aufgelegt — Discjockeys in Bremen (2): Norbert Krüler, derSinuskurven-Akrobat

Norbert greift sich ins volle Haupthaar und grinst: „Die langen Haare hab' ich nie abschneiden lassen.“ Wozu auch? Kommt alles wieder. So wie das, was Norbert am liebsten auflegt: „Aktuelles aus der Vergangenheit“ nämlich, freitagsnachts im „Aladin“, unter dem schönen, ebenfalls nicht ganz neuen Motto „Living The Past“. Der Schuppen ist rammelvoll, und alles schwingt die Mähne zu Golden Earring, Black Sabbath und anderem Urgestein des Rock. Nicht, weil es schon wieder ein Revival gäbe — „sowas war doch nie out“, sagt Norbert, „und ist auch nicht totzukriegen.“

Norbert muß es wissen: Er hat den Rock schon zu Zeiten aufgelegt, als die Schlaghose gerade in Mode kam. Daß sowas heute von den Kiddies wieder ausgepackt wird... „ist doch 'ne total häßliche Mode, die einen verunstaltet und dick macht.“ Die Plateau-Stiefel aber, Fallhöhe 11 Zentimeter — die hat er selbst noch irgendwo im Schrank.

Wie so manch andere Rarität. Die Sorte Rock, die Norbert und die Seinen im „Aladin“ dreimal wöchentlich loslassen, hat mit dem radiophonen Mainstream dieser Tage wenig gemein — Titel zumeist, „die man nicht auf MTV zu hören kriegt.“ Nicht nur die immergrünen Sounds der Altrocker, sondern auch und vor allem die härteren Seiten der Sache. Die Schwer-und Buntmetall-Anteile am Abend aber gilt es für den DJ genau zu gewichten. „Wenn Du elf Stunden Brett kriegst, wärst Du doch fertig“, sagt selbst der Norbert. „Und der Normal-Sterbliche braucht ja auch seine Ruhephasen.“

Letztlich ahaben Norbert & die restliche Aladin-Crew sogar genaue Zeiten festgelegt, nach denen die Härtegrade des Tanzbetriebs ausgerichtet werden. Viereinhalb Stunden Hardrock pro Nacht, in zwei Phasen gezündet, erlaubt der Spielplan. Dazwischen: alte Neuigkeiten & Nettigkeiten nebst vereinzelter Chart-Brüller. Ja, das muß eben dpch sein, dem Publikum zuliebe. „Es geht ja nicht darum, was ich gut finde“, sagt Norbert, „sondern, darum, die Leute positiv gut drauf zu bringen — dafür haben sie ja die ganze Woche geschuftet.“

Und da braucht's eben mehr als nur vollrohr Brett am Stück. „Die Musik muß im Lauf des Abends sein wie ein Sinuskurve, das beruhigt nämlich, und nicht wie so 'ne nervöse Sägezahnkurve.“

Das Publikum dankt's mit häufigem Wiedersehen. Auch, wenn Norbert gar kein Discjockey im strengeren Sinne ist: Statt Platten legt er Bänder auf — die zerkatzen nicht, nehmen weniger Platz weg als die sperrigen Scheiben und werden nicht so leicht geklaut. Thomas Wolff