: Ora et labora: Arbeit macht schön
■ Wurmmäßige Holzschnitte von Martin Noäl und heiligmäßige Skulpturen von Sabine Krusche bei Rabus
Ein unbezwinglicher Arbeiter, der Martin Noäl. Gänge um Gänge gräbt er in den Holzklotz, in den Druckstock; krallige Linien, verhakelt und verstrüppt. Hinterher schaut's aus wie von schrecklich eigensinnigen Holzwürmern ausgefressen: schwarze Linienhecken, an manchen Stellen zu Mustern halbwegs ausgekämmt, stachelige Striche. Und wo sie sich rundum flechten, denkt man an Dornenkronen.
Nicht von ungefähr. Noäl ist wahrscheinlich fähig, um einer Krümmung willen zu leiden. Ein Linienforscher, der weiß, was eine Qual und was eine Erlösung ist: Oft projiziert er stundenlang ältere Meister aufs rohe Holz, bis sich ihm mögliche Strichführungen eingeben, oft knipst er den Projektor aus und tritt an den Stock heran und nimmt die Maserung in den Blick, bis auch sie sich zur Frage äußert.
Noäl, Jahrgang 56, wohnhaft in Bonn, zeigt ab heute eine Auswahl seiner Holzschnitte in der Galerie Rabus. Anderer anzweifelbarer Kunst haben sie unbedingt den Zauber ehrlicher Arbeit voraus: Noäl muß ja auch noch die Leinwand nachtschwarz grundieren und eine Farbe zum Draufdrucken erwählen; dafür hat er einen Musterkatalog mit Mischrezepten, eine gerade noch läßliche Erleichterung seiner Plage. Schließlich besorgt er den Druck, und selbstverständlich statt mit Presse ganz händisch mit Bürste, und am Ende sieht man, wie sich siegreich in Schwarz all die erkämpften Linien durch die Flächen krakeln.
Die Farbflächen aber, weil das schwarze Acryl sich der Aufnahme von Rot, Blau, Gelb widersetzt, werden noch in tausend Jahren ein wenig naß aussehen, als hätte eben erst der Holzstock seinen Schweiß an der Leinwand getrocknet. Wer nähertritt, sieht das Schwarz besät mit Milliarden vom Druck zerquetschter Tröpfchen; zweifellos eine Szene von einiger Erhabenheit.
Auch die Linien, wie sie sich da in die Flächen fressen, haben ein gewisses Seelenleben: In all ihrer vegetativen Verdorrtheit sind sie doch auch unaustilgbar charakterstark; jedenfalls die kleinen Formen, die sparsamen Anfänge, die ersten Versuche gegen eine Übermacht von Farbe. Besonders hübsch: Das Bild mit den vielen kleinen Linientierchen, die im großen Weiß tanzen wie Mücken. Wo aber ein Liniengestrüpp gleich die ganze Fläche überwuchert, sieht's schnell banal aus, als hätte der Künstler sich hier die nötige Ochsengeduld erlassen.
Schön jedenfalls, daß die reine Mühe ihren ganz eigenen Wert hat. Einen ganz anderen Beweis für die selbe Sache führt in den zwei kleinen Räumen nebenan die junge Bremerin Sabine Krusche. Ihre Arbeiten sind von niederschmetternder Bescheidenheit. Schmale Quadersäulen, dünne Eisenstangen, man denkt „O jemine!“, und schon hat man sich versehen: Ist das jetzt Samt, was so päpstlich purpurn schimmert und nach Stein aussah? Oder weichgebürstetes Holz? Oder wachsgetränkte Rauhfaserpappe?
Und die gelben Tüpfelchen auf den Stangen, sind's nicht Bohrlöcher, gefüllt mit schimmernd gelbem Irgendwas? Und der Marmorklotz, auf dem der hohe Quader ruht, ist anscheinend nur eine Idee von Marmor, die sich ihres Ursprungs schämt: Genau besehen handelt sich's nämlich um einen Holzklotz, bespannt mit original Polstergarniturbezug; dieser wiederum mit trüben Paraffinen bespachtelt und wieder und wieder verstrichen und behaucht, bis endlich nach lauter Mühe die Kostbarkeit sich einstellte.
Viele Monate arbeitet die Künstlerin an solchen Säulen; man muß sich ihre Langmut als nahezu heiligmäßig vorstellen. Sie tut's für Gotteslohn: Daß die Materialien ein geheimes Leben kriegen, indem sie plötzlich ineinander übergehen, ist ihr genug. Sonst wirbt ihr Werk in keiner Weise für sich: Es weiß kein Konzept vor sich hin zu schwafeln, es übt keine Effekte aus und ergreift kein Publikum. Es ist sich nur sicher, daß Arbeit schön macht. Manfred Dworschak
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