„Es war klar, daß es sterben würde“

■ Prozeß um Kindestötung: Gärtnerin hatte ihr neugeborenes Kind lebend im Hof vergraben / Anklage wegen Totschlags

Sinnvoller gewesen sei es, andere zu töten, „die mir weh getan haben“. Das glaubt die 29jährige ledige Gärtnerin, die angeklagt ist, ihre noch lebende, neugeborene Tochter im Hof ihres Pankower Wohnhauses vergraben zu haben, und sagte es gestern laut in der Gerichtsverhandlung. Wer diese anderen Menschen sind, ließ Raphaela F. offen. Allerdings gab sie an, von ihrer Mutter „verdroschen“ und als Schlampe beschimpft worden zu sein. Die Mutter soll morgen beim zweiten Verhandlungstag als Zeugin aussagen.

Während Raphaela F. die Tat ausführlich schilderte, gab sie an, ohne Motiv gehandelt zu haben. Die wegen Totschlags Angeklagte vermittelte den Eindruck, als sei sie mit der Gesamtsituation überfordert gewesen; Zukunftsangst habe sie nicht gehabt, sondern „Streß“. Die Schwangerschaft hielt sie geheim, Nachbarn und Verwandte hätten nichts bemerkt.

In der Verhandlung, die gestern vor der 31. Großen Strafkammer eröffnet wurde, geht es damit erneut um Kindstötung; in den letzten Monaten waren mehrere Fälle zur Anklage gekommem, ebenso Vernachlässigungen von Kindern. Am Wochenende teilte zudem die Jugendverwaltung mit, daß die Zahl der beim Kindernotruf gemeldeten Fälle von Kindesmißhandlung drastisch gestiegen ist.

Am frühen Morgen nach der heimlichen Geburt im Oktober 1992 habe sie ihre Tochter stillen wollen, berichtete die Angeklagte ausführlich, das sei ihr jedoch nicht gelungen. Bereits vorher habe sie ihre gerade erst geborene Tochter in eine Plastiktüte gesteckt, sie jedoch nach einer Viertelstunde wieder herausgeholt: „Sie tat mir leid.“ Dann habe sie das Kind mit einem Eßlöffel im Hof vergraben, ohne dabei nachzudenken. Das Kind habe geweint, sagte die Angeklagte, ihr war „klar, daß es sterben würde“. Später grub sie die tote Tochter aus und stellte sich der Polizei.

„Sie kam rein und erzählte, daß sie ihr Kind umgebracht hat“, erinnerte sich der damals diensthabende Polizist vor Gericht, die Angeklagte habe das tote Kind in einer Decke auf den Tisch gelegt. Sie habe ruhig, „aber irgendwie geistesabwesend“ gewirkt. Kurz nach ihrer Selbstanzeige habe sie nach Hause gehen wollen, um ihrem zehnjährigen Sohn, der weder von der Geburt noch von der Tötung etwas mitbekommen hatte, Mittagessen zu kochen. Während der gestrigen Verhandlung vermittelte die Angeklagte manchmal den Eindruck, als höre sie interessiert einer ihr unbekannten Geschichte zu, dann lächelte sie wieder unsicher oder schüttelte, vor sich hinredend, den Kopf. Die Väter ihrer Kinder bezeichnete sie als Affären, mit denen sie nicht mehr in Kontakt stehe. Während der achtziger Jahre hatte sie zwei Abtreibungen, Verhütungsmittel lehnt die Frau ab. ca/dpa