■ Der Brüsseler Nato-Beschluß und Genf
: Rabulisten aller Länder...

Die Brüsseler Wortakrobaten haben sich wieder einmal selbst übertroffen, um – wenigstens auf dem Papier – die Einheit der Nato zu bewahren. Denn nur noch darum ging es zuletzt bei der gestern morgen um 3 beendeten Marathonsitzung. Die Clinton-Administration wußte von vornherein, daß ein Konsensbeschluß der 16 Mitglieder über Luftangriffe gegen serbische Stellungen auch ohne vorhergegangene Angriffe gegen UNPROFOR-Soldaten – und damit außerhalb des Rahmens von Resolution 836 des UNO- Sicherheitsrates – völlig ausgeschlossen war. Doch spätestens, als sich am frühen Montagabend in Brüssel abzeichnete, daß Washington lediglich bei Island und der Türkei Unterstützung fand, war auch Washingtons Strategie gescheitert, die Bereitschaft zum Alleingang zu verkünden, um dann diese Verbündeten zum Mitmachen zu gewinnen.

Das schließlich im Konsens verabschiedete Brüsseler Kommuniqué geht zwar in der Substanz nicht über die UNO-Resolution 836 hinaus. Die angekündigten „schärferen Maßnahmen“ – inklusive möglicher Luftangriffe gegen den serbischen Belagerungsring um Sarajevo – sollen nur unter der „Autorität des Sicherheitsrates“ und im „Rahmen von dessen Resolutionen“ sowie unter genau festgelegten Umständen stattfinden. Konkrete Operationspläne zur Durchführung „schärferer Maßnahmen“ sollen jetzt erst einmal ausgearbeitet werden. Diese Feinheiten des Beschlusses gingen in großen Teilen der Berichterstattung verloren und werden von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Was auch so sein soll.

Denn so können Clinton-Administration wie auch die EG ihr Doppelspiel weiterführen: verbale Drohgebärden auf der einen Seite, mit denen die USA innenpolitisch sowie in der islamischen Welt einige Sympathiepunkte zu gewinnen hoffen. Und auf der anderen Seite nötigen hinter den verschlossenen Türen des Genfer UNO-Palastes EG-Vermittler Owen samt Clintons Bosnien-Beauftragtem Bartholomew die bosnische Regierung weiterhin zur vollständigen Kapitulation vor den serbisch-kroatischen Aufteilungsplänen.

Die Illusionen, die man sich noch am Montag nachmittag in Teilen der Izetbegović-Delegation mit Blick auf Brüssel machte, sind inzwischen verflogen. Serbenführer Karadžić lieferte die Rabulistik aus Washington sogar Vorwände, um mit dem Auszug aus den Verhandlungen zu drohen. Wie wenig Karadžić diese Rabulistik tatsächlich beeindruckt, zeigt die Tatsache, daß er bislang die am Montag gemachte Zusage zum sofortigen Rückzug seiner Truppen vom Gelände um den bosnischen Fernsehsender nicht im geringsten umgesetzt hat. Andreas Zumach, Genf