Wer viel über Zahlen redet, spart besser

■ Im Interview der neue Frankfurter Stadtkämmerer Tom Koenigs von den Grünen / Über Strategien und Konzepte, wie die Stadt ihren defizitären Haushalt ausgleichen will

taz: Frankfurt steht mit acht Milliarden in der Kreide. Wo fangen Sie mit dem Sparen an?

Tom Koenigs: Niemand hat behauptet, daß man diese acht Milliarden Mark Schulden abtragen könnte. Das wirkliche Problem ist der unausgeglichene laufende Haushalt der Stadt. Nehmen wir einmal an, Sie haben Schulden bei der Bank, sind aber weiterhin kreditwürdig. Doch schon am 25. jeden Monats haben Sie kein Geld mehr. Daran müssen Sie etwas ändern, weil Ihnen sonst die Schulden ins Uferlose wachsen.

Wie soll gespart werden?

Ganz einfach: Wir dürfen nicht mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen. Auf die Bereiche, bei denen die Ausgabenhöhen gesetzlich fixiert sind, haben wir keinen Einfluß. Wir können in den Bereichen, die gesetzlich zwar dem Grunde nach, nicht aber der Höhe nach festgelegt sind, rationeller wirtschaften. Vor allem dort, wo wir freiwillige Leistungen erbringen.

Setzen Sie den Rotstift beim Kulturetat an?

Wir haben hier in Frankfurt eines der wenigen Schauspielhäuser, die es in Deutschland noch gibt. Das soll auch so bleiben. Aber die Zuschüsse können nicht mehr so hoch sein wie bisher. Die Apparate – Technik und Verwaltung – müssen abgespeckt werden, damit noch Geld in den künstlerischen Bereich fließen kann. So stell' ich mir das bei allen Kulturinstitutionen der Stadt vor.

Jede Opernkarte wird mit 340 Mark subventioniert ...

Ich bin hier nicht als Stadtkämmerer angetreten, um andere Kulturinstitutionen zu schaffen oder bestehende abzuschaffen. Aber der gesamte Kulturbereich muß wirtschaftlicher arbeiten und weniger Defizite machen. Ich werde versuchen, ohne Schließungen auszukommen.

Gerade auch die Oper wird einem wirtschaftlichen Konsolidierungsprogramm unterworfen werden und nicht mehr mit Etatsteigerungen rechnen können. Das alles gilt aber genauso für andere Leistungsbereiche wie etwa Müll und Abwasser, Schule und Grünpflege.

In dieser Stadt kommt ein städtischer Angestellter auf 25 Einwohner – ein üppiges Verhältnis wie in keiner anderen Großstadt. Müssen nicht auch drastisch Stellen gestrichen und damit Personalkosten eingespart werden?

Das angebliche Mißverhältnis könnte man ganz leicht ändern, indem man ganze Bereiche auslagert und privatisiert. Das ändert aber an der Sachlage überhaupt nichts. Wir haben die Abfallwirtschaft als ein städtisches Amt mit 2.500 MitarbeiterInnen.

Mit einem Federstrich könnte man dieses Amt in eine GmbH umwandeln. Dann hätte die Stadt 2.500 MitarbeiterInnen weniger – und alle schrien – hurra, hurra! –, aber die 2.500 Menschen machen dann immer noch genau dasselbe. Und sie sehen auch noch genauso aus wie vorher. Im Haushalt würde sich auch nichts änden, weil die Gebühren kostendeckend sind. Das einzige, was sich geändert hätte, wäre der Name: die heißen dann nicht mehr Amt für Abfallwirtschaft, sondern „Sauber GmbH“.

Privatisierung ist also kein Thema für Sie?

Das kann man so absolut nicht sagen. Wir müssen uns bei allen Leistungen schon fragen, ob sie vielleicht von Privaten besser erbracht werden könnten. Ist das der Fall, dann müssen wir auch privatisieren. Wenn wir einen kommunalen Leistungsträger privatwirtschaftlich besser organisieren können, ohne ihn an Private abzugeben, dann müssen wir das tun. Und wir müssen feststellen, ob es Bereiche gibt, die überhaupt nicht mehr abgedeckt werden müssen – dann müssen die verschwinden. Es gibt eben kein Allheilmittel bei der Konsolidierung des Haushalts der Stadt.

Gibt es einen originär grünen Ansatz? Immerhin sind Sie der erste grüne Kämmerer einer Großstadt.

Ich muß die Chance wahrnehmen. Ich komme von einer kleinen Partei, die – wenn sie mitregieren will – über die eigenen Parteigrenzen hinaus konsensbereit sein muß. Wir mußten und müssen konsensorientiert arbeiten und sind deshalb kommunikativer: wir mußten und müssen mit den Leuten reden – und das ist auch unsere Chance hier. Das ist mein Konzept, auf das ich meine Partei und den Koalitionspartner – und bis zu einem gewissen Grad auch die CDU – verpflichten möchte. Der ganze Spar- und Konsolidierungskurs läßt sich nur machen, wenn man viel offener mit den Zahlen umgeht, wenn man die Zahlen erklärt und sie der Öffentlichkeit auch mitteilt.

Die meisten Betroffenen, die gegen ein Sparprogramm demonstrieren würden, glauben doch, daß anderswo nicht gespart wird. Ich kann hier versichern. Unter Koenigs wird auch – anderswo – gespart werden.