Gasag-Verkauf: Entmachtet sich Berlin?

■ Beim größten Aktienverkauf in Deutschlands Gasversorgungs-Geschichte droht Berlin seinen Einfluß auf die Energiepolitik zu verlieren / Grüne fordern Öffentlichkeit, doch Finanzverwaltung schweigt

Wenige Tage bevor potentielle Investoren ihre Kaufangebote für die Berliner Gaswerke (Gasag) unterbreiten sollten, will die Finanzverwaltung noch immer nicht öffentlich machen, wieviel Aktien verkauft werden sollen. Nach Informationen der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der FU soll es bereits dreizehn Kaufinteressenten geben, doch die Frist für die Kaufangebote, die Mitte August abgelaufen wäre, sei um mehrere Wochen verschoben worden, sagte Hans-Henning Krämer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle zur taz.

Die Finanzverwaltung wollte sich gestern weder dazu äußern, ob das Land Berlin als Alleinaktionär nun 24 Prozent oder 48 Prozent verkaufen wolle, noch aus welchem Grunde die Frist für die Kaufangebote verschoben worden sein soll. „Vermögensgeschäfte sind grundsätzlich vertraulich“, meinte Klaus-Hubert Fugger, Sprecher der Finanzverwaltung. Er betonte aber, daß sich das Land seinen „ernergiepolitischen Einfluß“ sichern werde.

Mit dem Verkauf der Aktien des mit 4.000 Mitarbeitern größten Stadtwerks Westeuropas will Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) die Defizite im Landeshaushalt mindern. Insider schätzen, daß es bei dem Geschäft um eine halbe Milliarde Mark geht. Allerdings wird die Kritik an dem geplanten Verkauf an Unternehmen wie etwa Ruhrgas, VEBA oder Wintershall AG immer lauter. Nicht nur die Forschungsstelle der FU bezweifelt, daß das Land Berlin seinen Einfluß halten kann. Auch die Grünen sind sich sicher, daß ein Verkauf an Erdgaslieferanten dem offiziellen Ziel zuwiderlaufe, mit Energie sparsam umzugehen.

Die Umweltforscher und -politiker sind mit ihrer Ansicht in guter Gesellschaft. Die Stadt Hannover hat den Verkauf von 40 Prozent der Stadtwerke gerade und in letzter Minute gestoppt. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Schluß, daß umweltpolitische Ziele nicht mehr durchsetzbar seien, wenn im Aufsichtsrat der Stadtwerke Leute von Unternehmen sitzen, die möglichst viel Gas verkaufen wollen. Hannover will jetzt nur noch 24 Prozent der Aktien veräußern, der Käufer hätte dann keine Sperrminorität und könnte wichtige Entscheidungen nicht blockieren.

Nikolaus Richter vom beauftragten Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie erläuterte gegenüber der taz, daß die Stadt Hannover mit alternativen Finanzierungsmodellen genauso viel Geld einnehmen könne. Durch den Verkauf von Gebäuden und das folgende Zurückleasen könnten stille Reserven mit einer Beteiligungsgesellschaft für Bürger und mit sogenannten Wertpapier-Pensionsgeschäften Finanzmittel mobilisiert werden. Aktien sollten darüber hinaus nur an Unternehmen verkauft werden, die Erfahrungen mit Energiesparen gemacht haben. Durch ihre Beteiligung würde wichtiges Know-how eingekauft werden.

Daß der Verkauf der Gasag- Aktien gewinnbringend sein soll, wird ohnehin in Frage gestellt. Kurzfristig könne das Land zwar seine Haushaltskasse füllen, so Krämer von der FU, langfristig nütze das aber nichts, weil das Land schließlich einen Teil der laufenden Gewinne an den oder die anderen Aktionäre abführen muß.

Die Fraktion Bündnis 90/Grüne will über diese und andere Fragen Öffentlichkeit herstellen und hat deshalb für Mittwoch kommender Woche zu einer Anhörung ins Abgeordnetenhaus geladen. Dirk Wildt