■ Keine Haft für illegale Ausländer
: Selbstverständlichkeiten

Angesichts hoffnungslos überfüllter Zellen in den einzelnen Polizeidirektionen sollen illegal hier lebende Menschen vorerst nicht mehr länger als zwei Tage inhaftiert werden, entschied die Polizeiführung nun. Schließlich haben Menschen auch in der Haft ein Recht auf vernünftige Waschmöglichkeiten, ein Bett und regelmäßige Ernährung. In einer demokratischen Gesellschaft sollte darüber Konsens herrschen, müßte man meinen. Dem ist nicht so. Dabei ist das vorhersehbare Geschrei einiger Boulevardzeitungen, die Polizei lasse Straftäter frei herumlaufen, nicht einmal akzeptabel, wenn es sich wirklich um solche handelte. Denn unbeachtet bleibt in jedem Fall, daß selbst ein Verbrecher einen Anspruch auf menschenwürdige Behandlung in der Haft hat.

Doch um Kriminelle handelt es sich nicht bei jenen Menschen, auf deren Verfolgung die Polizei vorerst verzichten will. Ihr Verbrechen besteht einzig darin, keine Deutschen zu sein – und ihre Straftaten sind Verstöße gegen eine zweifelhafte Asylgesetzgebung. Ihre humanitären Rechte in der Haft sicherzustellen ist selbstverständlich. Die Anweisung aus der Führungsetage beweist, daß zumindest die Polizei gelernt hat aus dem verheerenden Brand in der Abschiebehaftanstalt am Augustaplatz: In der Silvesternacht 1984 starben damals in den völlig unzureichend ausgestatteten und überfüllten Zellen sechs Menschen.

Die Tatsache, daß das Verhalten der Polizei nicht als selbstverständlich angesehen wird, verweist auf das Klima der Ausländerfeindlichkeit, welches auch von staatlichen Stellen geschürt wurde. Hinter dem Vorgang ist deshalb ein vorsichtiges Aufbegehren der Polizei zu spüren, sich nicht zu tumben Erfüllungsgehilfen machen zu lassen für rabiate Politiker, die Deutschland schnellstmöglich ausländerfrei machen wollen – koste es, was es wolle, und seien es die Menschenrechte. Gerd Nowakowski