■ Zum Friedensmarsch von Split nach Sarajevo
: Ein glatter Mißerfolg

Sicherlich würden sich die Menschen in Sarajevo freuen, wenn Tausende Demonstranten aus allen Teilen Europas in ihre umlagerte Stadt gelangen könnten. Wenn diese dann demonstrierten, um zu zeigen, daß das Schicksal der seit 16 Monaten Eingeschlossenen vielen Europäern nicht gleichgültig ist. Wenn europäische Prominente wie die beiden polnischen Ex- Dissidenten Jacek Kurón und Adam Michnik – die gekommen sind, andere ließen sich nicht sehen – Flagge für die Menschenrechte zeigen würden. Doch seit gestern ist den Demonstranten klargeworden, daß sie sich die Dinge zu Hause leichter vorgestellt hatten als vor Ort.

Um mit den riesigen Konvois nach Sarajevo zu gelangen, muß das Kriegsgebiet durchquert werden. Es ist den Organisatoren durchaus zu bescheinigen, daß sie ihre Naivität durch keinerlei Expertise trüben ließen. Wer, wie bei den Veranstaltern leicht zu erfragen war, mit derart ungenauen Vorstellungen über die Geographie eine Reise durch das Kriegsgebiet wagen will, muß schon öfter von Suizidgedanken verfolgt worden sein. Die Straße von Mostar nach Sarajevo ist gesperrt, die Ersatzroute über Tomislavgrad-Prozor- Gornji Vakuf, Vitez, Kiseljak an mehreren Stellen schwer umkämpft. Es ist schlicht unverantwortlich von den Organisatoren, großteils gutwillige, nette, liebenswerte, friedvolle Menschen – die das Gros der Demonstranten ausmachen – in diese Gefahr zu bringen. Einziger Schutz wäre das Kalkül aller Kriegsparteien, mittels des Konvois für sich selbst gute Presse zu erhalten. In der unübersichtlichen Situation, in der Kommandostrukturen regional schon längst nicht mehr greifen, könnten derartige Versprechungen der Obersten Kommandeure jedoch nur schwerlich erfüllt werden.

Für den Mißerfolg der gesamten Aktion wiegt jedoch die Tatsache schwerer, daß die politische Aussage der Demonstration abstrakt blieb. Wer den „Frieden jetzt“ will, muß auch sagen, unter welchen Bedingungen, sonst bewegt man sich auf der gleichen Ebene wie EG-Unterhändler Owen, der in Genf die bosnische Delegation zur Aufgabe zwingen will. Für die Werte der bosnischen Gesellschaft und gegen den Nationalismus wollen sich die Demonstranten nicht engagieren, sie scheuen sich, Partei zu ergreifen. Daß sich hier die nationalen Diskussionszusammenhänge Frankreichs und Polens durchsetzen – Menschen aus diesen Ländern stellen ja die Mehrheit der Demonstranten –, sei nur am Rande vermerkt. Auch viele deutsche Pazifisten denken in diesen – vielleicht ungewollt – zynischen Kategorien. Erich Rathfelder, Split